Zwischen Licht und Dunkel
Arnarsson, erinnert der Nadelbaum aus Deutschland dankbar daran, dass Island in den Nachwirren des Zweiten Weltkrieges Versorgungspakete nach Deutschland schickte, vor allem nach Hamburg. Beide Bäume werden stets feierlich unter Kindergewimmel erleuchtet.
Auch Adventskränze sind auf Island Sitte, ganz so wie im guten alten Deutschland. Dort soll der Brauch schließlich auch entsprungen und über Dänemark auf die Insel im Nordatlantik gelangt sein, allerdings erst sehr spät in den 1970er Jahren. Ein Adventsarrangement aus Strandgut wie Kieselsteinen hat übrigens auch seinen Reiz. Seit ich in einem kreativen Moment darauf gekommen bin, ist bei mir Schluss mit Nadeln und Brandgefahr.
Die Geschenke sind besorgt, im Fenster blinkt der Leuchtstern, die Lichterkette hängt am Balkon, daneben wartet der Weihnachtsbaum auf seinen Einsatz und das Adventsgesteck steht auf dem Wohnzimmertisch. Jetzt wäre ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt recht. Da kommt bei mir dann doch etwas Sehnsucht auf. Denn was ich über meine ersten paar Lebensjahrzehnte kennen und lieben gelernt habe, suche ich vergeblich. In Hafnarfjörður öffnet seit ein paar Jahren an den Adventswochenenden zwar ein sogenanntes Weihnachtsdorf die Pforten, und auch in Reykjavík gibt es seit 2009 eines, aber die richtige Stimmung lässt es bei mir nicht aufkommen. Wo sind Bratwurst und Glühwein, Lebkuchen und Früchtebrot? Wo der spezielle Weihnachtsgeruch? Offensichtlich wissen auch die Insulaner die besondere Stimmung der deutschen Weihnachtsmärkte zu schätzen. Wer in die Zeitung schaut, wird auf adventliche Reiseangebote stoßen. Ein langes Wochenende in Trier oder Würzburg könnte es sein. Umgekehrt ist Island als Urlaubsreiseziel über die Weihnachtsfeiertage auch nicht zu verachten.
Selbstgebackene Weihnachtsplätzchen sind in meiner Island-Familie Mangelware. Aber es gibt sie. Wer wenig Zeit hat, kann vorgefertigte Plätzchenteigrollen kaufen, zu Hause in Scheiben schneiden und backen. Oder es tun einfach piparkökur , Pfefferkuchen, aus dem Supermarkt oder der Bäckerei. Dort habe ich neben „echten“ Plätzchensortimenten sogar deutschen Weihnachtsstollen entdeckt.
Ganz traditionelle isländische Weihnachtsbäckerei nimmt mit laufabrauð , Blätterbrot, die Form von Omas gehäkelten Spitzendeckchen an. Soll Teig zu laufabrauð werden, braucht man ganz dünne, runde Fladen von schätzungsweise 20 cm Durchmesser, in die höchst kunstvolle blattähnliche Muster geschnitten und gefaltet werden. Anschließend wird das Ganze frittiert. Das filigrane Blätterbrot entstand wie so vieles aus der Not heraus. Da es kaum Getreide und somit Mehl gab, galt es aus wenig etwas zu machen, in diesem Falle aus einer kleinen Teigportion ein Kunstwerk. Das ist gelungen. Geschmacklich ist laufabrauð eher neutral, weder süß noch salzig, und wird als Brotbeilage gegessen. Ich ärgere mich heute noch darüber, dass ich meine erste und bislang einzige Einladung zum gemeinsamen laufabrauð - Backen im Familienkreis ausschlagen musste, weil ich nicht im Lande war. Im Nachhinein bat ich um einen kleinen Bericht: Alle weiblichen Familienmitglieder mitsamt ihren Kindern waren zu diesem geselligen, ausgefüllten Tag der Weihnachtsvorbereitungen zusammengekommen. Sie hatten die Teigfladen bereits fertig ausgerollt gekauft – wie praktisch – so dass mehr als genug Zeit blieb, um von weihnachtlichen Leckereien wie hangikjöt 3 zu naschen, Pfefferkuchen zu knabbern und ein bisschen Wein zu trinken. Ich glaube gar, dass es an diesem Tag vor allem auf den sozialen Faktor ankam und das Blätterbrot eher nebenher entstand. Vielleicht schaffe ich es ja ein andermal, dabei zu sein.
Ein obligatorisches Weihnachtsleckerle ist Schokoladenkonfekt. Vor allem Mackintosh-Quality- Street- Toffees haben einen ganz besonderen Platz im Herzen der Nation. Kaum naht Weihnachten, tauchen in Lebensmittelläden plötzlich stapelweise die lilafarbenen, achteckigen Blechdosen auf. Tatsächlich scheint mir hier Weihnachten ohne die guten alten Makkintoss – so die isländische Schreibweise – fast undenkbar. Drei Viertel des gesamten Jahreskonsums entfallen auf die (Vor)weihnachtszeit. Die Pralinen in den bunten Papierchen waren erstmals 1978 auf dem isländischen Markt aufgetaucht und somit unter den ersten importierten Süßigkeiten. Seitdem ist das nostalgisch angehauchte Paar, das die Dose schmückt – Major Quality mit Freundin Miss Sweetley aus dem Schauspiel Quality Street –
Weitere Kostenlose Bücher