Zwischen Licht und Dunkel
Statistischen Amt Islands registriert. Und die alten nordischen Götter haben auch noch nicht ausgedient. Schon damals, als das Christentum vor eintausend Jahren angenommen wurde, war es ihren Anhängern zugestanden, den heidnischen Glauben im stillen Kämmerlein weiter zu pflegen. Anfang der 1970er Jahre wurde er wiederbelebt, als sich die „Asengläubigen“ zusammenfanden. Die Rituale, die heutzutage regelmäßig zelebriert werden, sind immer wieder einen Fernsehbericht wert. Doch egal, an wen und was man glaubt, in der Regel lebt es sich friedlich-tolerant nach Islandart miteinander.
Ich selbst bin evangelisch getauft und kann mich daher auf Island kirchentechnisch wie zu Hause fühlen. Weihnachten von Advent bis Dreikönigstag, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten. Glaubensbekenntnis, Vaterunser und Konfirmation. Alles läuft in dem Rahmen ab, den ich von Kindesbeinen an kenne. Mit meinem Stefán allerdings habe ich auch insofern einen seltenen Fund gemacht, als er zu den gerade einmal 3 % Katholiken Islands zählt. Die Isländer waren nämlich zunächst einmal katholische Christen, bis Mitte des 16. Jahrhunderts die Reformation anrollte. Daran, dass Martin Luthers Gedanken ihren Weg nach Island fanden, sind vielleicht auch die hanseatischen Kaufleute nicht ganz unschuldig, die in Reykjavíks Nachbargemeinde Hafnarfjörður sogar ihre eigene lutherische Kirche hatten. Dort erinnert an sie heute ein Denkmal. Auch junge Isländer, die in Deutschland studiert hatten, brachten die neuen religiösen Ideen auf die Heimatinsel. Die Entscheidung, dass unser Töchterlein trotz katholischem Papa ein Kind der isländischen Staatskirche werden sollte, war zwar nicht für alle Familienmitglieder ohne weiteres nachvollziehbar, aber doch logisch und am einfachsten. Vor allem ist die Mama damit glücklich.
Nun aber zurück zum Weihnachtsfest, das auch auf Island nicht früh genug beginnen kann, nach Meinung der Geschäftstüchtigen jedenfalls. Es kündigt sich an mit einer solchen Flut an Werbeprospekten, dass Briefkästen und Altpapiercontainer überquellen. Die Zeitungsausträger bekommen hier im Dezember eine Erschwerniszulage. Was darf es sein, digitale Fotokamera oder Flachbildfernseher? Seit Herbst 2008 wird notgedrungen zwar auch geschenketechnisch zurückgesteckt, aber nach wie vor sind Weihnachtsstress und Einkaufsrausch auch auf Island keine Unbekannten – wenn man sich auf sie einlassen will. Vielleicht genügt einfach und effektiv ein Buch als Präsent für die Lieben. Bei der Nation von Bücherwürmern, mit der ich es hier zu tun habe 2 , ist das für den Gabentisch ohnehin fast Pflicht. Daher wetteifern die jährlichen Neuerscheinungen vor allem in der Vorweihnachtszeit um den besten Werbeplatz in den Medien.
Ein Buch hat obendrein den Vorteil, dass es unter den Weihnachtsbaum passt. Es gibt sie nämlich tatsächlich, die nadeligen Weihnachtsbäume. Allem durchaus berechtigtem Zweifel zum Trotz, den der offensichtliche Mangel an „richtigem“ Inselwald oft genug aufkommen lässt. Tatsächlich gab es hier ursprünglich Wald, allerdings ohne Nadelbäume, wie ich gelesen habe. Die ersten Exemplare davon sollen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt worden sein. Die ursprüngliche Bewaldung wurde im Zuge der Besiedlung drastisch reduziert. Aus Holz entstanden zum Beispiel Häuser und Schiffe, auch als Heizmaterial fand es Verwendung. Aufgeforstet wurde nicht.
Der Weihnachtsbaum-Brauch tauchte auf Island erstmals wohl Mitte des 19. Jahrhunderts auf, möglicherweise in den Wohnzimmern von dänischen Familien, die sich hier niedergelassen hatten. Musste man sich anfangs mit selbstgebastelten Provisorien behelfen, konnte man ab den 1940ern auf echte importierte Bäume umsteigen. Heutzutage werden landeseigene Bäumchen eigens für Weihnachten aufgepäppelt. Gemeinsames Christbaumschlagen soll schon manchmal erklärtes Ziel eines vorweihnachtlichen Betriebsausflugs gewesen sein. Zusätzlich zum original isländischen Grün werden auch Bäume eingeführt, zum Beispiel aus Norwegen. Zu den elektrischen Lichtergirlanden der Stadt Reykjavík gesellt sich so manches Prachtexemplar an Weihnachtsbaum. Tradition sind mindestens zwei davon: der Oslo-Baum am Platz vor dem Parlament und der Hamburg-Baum am alten Hafen, beides jährliche Von-Stadt-zu-Stadt-Geschenke. Während die norwegische Baumspende, die seit 1952 regelmäßig eintrudelt, als Symbol für den Norweger und ersten Siedler Reykjavíks steht, Ingólfur
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