Zwischen Licht und Dunkel
quasi aus dem Nichts direkt aus dem Meer geboren. In klaren Winternächten wabern Lichtschleier über den Himmel. Wann der nächste Vulkanausbruch ansteht, lässt sich zwar dank moderner Messgeräte in gewissem Maße voraussagen, aber letztendlich bestimmt die Natur, wann und wie er kommt. Da kann man doch gar nicht anders, als Islands Natur eine angemessene Portion an Respekt zu zollen! Dieses Gefühl beschlich mich bereits während meines allerersten Inselbesuchs, als ich als Urlauber auf Rundreise war. Wenn der Wintersturm erst einmal richtig tobt und ich deshalb nicht schlafen kann, drängt sich mir das Gefühl geradezu auf, dass da draußen irgendetwas stärker ist als der Mensch. Dieses Bewusstsein hat mir noch nicht geschadet.
Für den praktischen Teil unserer Zusammenkunft führt mich Jónas zu einem Steinbrocken auf einer kleinen Wiese zwischen vorbildlich restaurierten, wellblechverkleideten Häuschen. Ein wahres Schmuckstück, dieses Fleckchen der Stadt. Unzählige Male bin ich dort schon vorbei gekommen, aber dem Felsen hatte ich nie Beachtung geschenkt – zu Unrecht, wie ich gleich erfahren sollte. „Das ist ein Steinbrocken, an dem sich sämtliche Bohrer und Bagger die Zähne ausgebissen haben. Siehst du die Löcher, die sie hinterlassen haben? Man hat ihn von einer Baustelle hergebracht. Und hier …“ Jónas deutet auf eine Stelle im Fels, die eine etwas andere Färbung aufweist als der Rest und in der sich mit etwas gutem Willen die Form eines Tores erkennen lässt. „… vielleicht ist das ja der Eintritt in eine andere Welt, von dem so gerne die Rede ist. Denk nur einmal an die modernen Filmproduktionen über Zeitreisen. Da geht es manchmal auch nur durch eine unscheinbare Türe und plötzlich ist man ganz woanders.“ Nicht zuletzt weiß er zu berichten, dass es hier nicht immer so idyllisch gewesen ist. Vor gar nicht allzu langer Zeit waren die Häuser ringsum ziemlich heruntergekommen. Erst als ihren Bewohnern zu Ohren gekommen war, dass die Wiese mitsamt „Elfenstein“ vielleicht einem Bebauungsplan zum Opfer fallen sollte, schritten sie zur Tat und renovierten. Denn hergeben wollten sie den Stein auf keinen Fall. Damit hatte die andere Seite genau das erreicht, was sie wollte: ein sorgfältig renoviertes Stückchen Stadt.
„Ob wir Isländer also wirklich an das alles glauben? Ich würde sagen: ja.“ „Und du, ganz persönlich?“ will ich abschließend wissen. „Glaubst du daran?“ „Ich glaube an höhere Mächte.“
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1 Nahrung von Elfen auf Island nach Erla Stefánsdóttir. Herausgeber: Touristinformation in Hafnarfjörður und Restaurant A. Hansen, September 1998.
Ein musikalischer Exkurs
Björk. Die Sängerin wird mit Island assoziiert wie Gletscher und Geysire. Sie dürfte nach meiner Einschätzung auch der einzige Vertreter der isländischen Musikerzunft sein, der es bislang zu internationalem Bekanntheitsgrad auf breiter Basis gebracht hat. Ist Björks Musik typisch isländisch? Nein, Björk ist Björk. Unverkennbar, eigenwillig und eindringlich. Und nicht immer leicht verdaulich. Ein echtes Unikat. Meinen persönlichen Geschmack trifft ihre Musik zwar nicht, aber ich mag an Björk, dass sie das macht, was sie will – und nicht das, wonach die Masse verlangt. Genau das könnte das Geheimnis ihres Erfolges sein.
Aber was ist dann isländische Musik? Eine gute Frage! Ihren traditionellen Klängen dürfte ich damals auf meinem Islandurlaub am nächsten gekommen sein: Der Bauer, bei dem ich übernachtete, zog abends sein Akkordeon heraus und fing an, alte Volksweisen zu spielen und zu singen. Eine wirklich gelebte musikalische Tradition, wie man sie zum Beispiel aus Schottland und Irland kennt, ist mir aber bis heute nicht begegnet.
Gerne behaupte ich, dass auf Island am Anfang die Stimme war. Sehr schnell entdeckte ich nämlich, dass Isländer ausgesprochen gerne und gut singen. Meine erste Begegnung mit isländischer Stimmgewalt „durfte“ ich auf einer Beerdigung machen. Was der Kirchenchor im Rahmen der Bestattungsfeier zum Besten gab, hätte jedem Opernhaus dieser Welt zur Ehre gereicht. Ein andermal landete ich mehr durch Zufall auf einem Chortreffen, und ich war begeistert. Chöre gibt es wahrlich in Hülle und Fülle. Männerchöre, Frauenchöre und Kinderchöre. Gemischte Chöre, isländische Chöre und mindestens ein internationaler Chor. Eine Freizeitbeschäftigung, die besonders für den Winter ideal ist. Überhaupt soll es hier in
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