Zwischen Macht und Verlangen
standen ihr vorzüglich. Wie war es möglich, dass Shelby Dinge tragen konnte, die bei anderen jungen Frauen wie ein Faschingskostüm gewirkt hätten?
„Wie könnte ich? Hab’s doch versprochen.“ Mit Kennerblick prüfte Shelby die Speisen auf der reichgedeckten Tafel, bevor sie ihre Wahl traf. „Das Essen ist besser, als ich annahm.“
„Shelby! Du darfst nicht immerzu an deinen Magen denken.“
Mit einem halben Seufzer hakte Deborah ihre Tochter unter. „Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest: Hier sind einige recht nette, gut aussehende Männer.“
„Versuchst du schon wieder, mich unter die Haube zu bringen?“ Shelby küsste die Mutter liebevoll auf die Wange. „Dabei habe ich dir den Kinderarzt noch gar nicht verziehen, den du mir vor ein paar Wochen aufschwatzen wolltest!“
„Das ist ein sehr charaktervoller, tüchtiger junger Mann.“
„Hmmm!“ Taktvoll verschwieg Shelby ihrer Mutter, dass sie den charaktervollen Mediziner als einen Zudringling kennen gelernt hatte, der seine Hände nicht unter Kontrolle halten konnte, und dass sie sich deshalb seine Gesellschaft hatte verbitten müssen.
Amüsiert beobachtete Deborah Campbell, wie ihre Tochter sich gleichzeitig unterhielt und den Obstsalat entdeckte. Der sportliche Pressesekretär und ein neuer Abteilungsleiter der Umweltbehörde traten hinzu. Freigebig versprühte Shelby ihren Charme, die jungen Männer fühlten sich in ihrer Gesellschaft sichtbar wohl.
Warum wehrt sich meine hübsche Tochter so gegen jede festere Bindung? überlegte Deborah. Dabei hat sie offensichtlich im Prinzip nichts gegen eine Eheschließung einzu wenden. Aber sie zieht eine hohe Mauer um ihre Privatsphäre.
Alan MacGregor beobachtete die junge Frau mit dem Flammenhaar, die wie eine wohlhabende Zigeunerin gekleidet war. Er hörte, wie ihr Lachen klang – sinnlich und unschul dig zugleich. Sie hat ein interessantes Gesicht, stellte er fest. Es ist außergewöhnlich, nicht unbedingt schön. Wie alt mag sie sein? Achtzehn oder dreißig? Sie war kein Partytyp. Alan hatte, seit er in Washington war, schon genug solcher Gesellschaften besucht, um das beurteilen zu können. Sie gab sich weder geziert noch scheu, sie war einfach natürlich. Diesen bunten Rock hatte sie bestimmt nicht in einem der üblichen Modegeschäfte gekauft, wohin alle Politikerfrauen liefen. Und ihre Frisur entsprach weder der augenblicklichen Geschmacksrichtung, noch schien sie einen teuren Salon dafür bemüht zu haben. Aber es passt alles, dachte Alan.
„Wie geht’s, Senator?“ Der Hausherr legte Alan freund schaftlich seine Hand auf die Schulter. „Freut mich, Sie auch außerhalb der Arena zu treffen. Wir sollten öfter mal ausbrechen. Mich würde Ihre Meinung über das Breiderman’sche Papier interessieren, das nächste Woche besprochen werden soll.“
Alan blickte den Abgeordneten ruhig an. Write unterstützte diese Sache, das wusste er.
„Ich bin dagegen“, sagte er einfach. „Wir können auf dem Bildungssektor keine Abstriche mehr verkraften.“
„Na, na, Alan! Wir beide wissen doch, dass man solche Dinge nicht wie schwarz und weiß sehen kann.“
„Manchmal wird die Grauzone zu breit, dann sollte man besser zum Grundsätzlichen zurückkehren.“ Alan merkte erstaunt, dass ihm an einer politischen Unterhaltung augen blicklich gar nichts lag. Durfte ein Senator überhaupt kein Privatleben haben? Aber Alan MacGregor war immerhin Diplomat genug, sich seine Gedanken nicht anmerken zu lassen. Er schaute wie unabsichtlich in Shelbys Richtung. „Ich glaubte, hier langsam jeden zu kennen. Aber Sie müssen mir helfen: Wer ist die junge Frau dort drüben, die ein Mittelding zu sein scheint zwischen Prinzessin und Landfräulein?“
„Wen meinen Sie?“ Writes Neugier war erwacht, und er folgte Alans Blick mit den Augen. „Oh, nun sagen Sie nur nicht, dass Sie Shelby noch nicht kennen!“ Er lachte, die Beschreibung gefiel ihm. „Soll ich Sie vorstellen?“
„Danke, nicht nötig. Ich werde mich mal heranpirschen.“ Alan schlenderte durch die Reihen der Gäste. Er plauderte hier und lachte dort, hielt sich aber nirgendwo länger auf. In dieser Beziehung hatte er viel Ähnlichkeit mit Shelby, denn es gelang ihm mühelos, das rechte Wort zum richtigen Zeit punkt zu finden. Seine Freundlichkeit war ungekünstelt, und für Gesichter besaß er ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Bei einem Mann, dessen Karriere ebenso sehr von der Gunst des Publikums abhängig ist wie vom eigenen
Weitere Kostenlose Bücher