Zwischen Macht und Verlangen
Können, sind diese Fähigkeiten grundlegende Voraussetzung. Alan verstand sein Handwerk.
Nach gründlichem Studium der Rechtswissenschaften war er auf allen juristischen Gebieten bewandert. Sein Bruder Caine hatte sich mit der gleichen Ausbildung für den Anwaltsberuf entschieden. Aber Alan war damit nicht zufrieden, er wollte mehr erreichen. Ihn faszinierte die Gesetzgebung in Theorie und Anwendung und die entsprechende verfassungsmäßige Nutzung für das Wohl des Volkes. Deshalb hatte er die politische Laufbahn eingeschlagen, und sein bisheriger Weg führte steil bergauf. Mit fünfunddreißig Jahren bereits Senator zu sein, war sehr zufrieden stellend. Und eine viel versprechende Zukunft mit fast unbegrenzten Möglichkeiten lag griffbereit vor ihm.
„Sind sie allein, Alan?“ Myra Ditmeyer, die Frau eines der obersten Richter, legte ihre Hand auf seinen Arm, als er vorüberging.
Alan blieb stehen und küsste mit dem Vorrecht eines alten Freundes ihre Wange. „Soll das ein Angebot sein?“
Myra lachte schallend. „Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, würde ich Sie beim Wort nehmen, Sie schottischer Herzensbrecher.“ Mit klugen, freundlichen Augen strahlte sie den jüngeren Mann an. „Warum hängt heute Abend keines dieser bemalten, nichts sagenden Mädchen an Ihrem Arm?“
„Weil ich hoffte, Sie zu einem Wochenendausflug nach Puerto Vallerta überreden zu können.“
Myra tippte mit ihrem langen, rotgelackten Fingernagel nachdrücklich auf Alans weiße Hemdbrust. „Sie meinen wohl, es ist kein Risiko, mit einer alten Frau derartige Scherze zu treiben! Aber leider haben Sie damit Recht.“ Gut gelaunt seufzte sie und fuhr fort: „Warten Sie nur ab! Man musste eine ganz gefährliche Person auf Sie ansetzen. Ein Mann in Ihren Jahren und noch allein – ich werde mir darüber Gedanken machen!“
Sie zog die Augenbrauen hoch und meinte neckend: „Die Amerikaner mögen es lieber, wenn ihre Präsidenten ordentlich verheiratet sind, mein lieber Alan!“
„Das sagt mein Vater auch immer.“ Mit gespieltem Ernst ging er auf ihren Ton ein.
„Dieser alte Pirat!“ Die Unterhaltung amüsierte sie aufs Äußerste. „Manchmal hat er nicht Unrecht, Sie täten gut daran, hin und wieder auf ihn zu hören. Zu einem erfolgreichen Politiker gehört die richtige Partnerin.“
„Sie raten mir demnach, nur meiner Karriere zuliebe vor den Traualtar zu treten?“
„Versuchen Sie nicht, mich auf den Arm zu nehmen, mein Junge.“ Myra bemerkte, dass Alans Blick in eine bestimmte Richtung gelenkt wurde, aus der ein dunkles, wohl bekanntes Lachen ertönte.
Hoppla! dachte sie und wurde sofort aufmerksam. Wäre das wohl eine interessante Zusammenstellung? Der Fuchs und der Schmetterling!
„Ich gebe nächste Woche ein Abendessen“, sagte sie und erwähnte natürlich nicht, dass diese Idee ihr soeben erst eingefallen war. „Nur ein paar Freunde kommen. Meine Sekretärin ruft Ihr Büro an und sagt alles Nähere durch.“ Sie tätschelte Alan mit ihrer reichberingten Hand die Wange und entfernte sich, um einen günstigen Platz zu suchen, von dem aus sich die weitere Entwicklung des Abends gut beobachten ließ. Alan sah, dass Shelby sich von den Gästen abwendete, mit denen sie eben noch gesprochen hatte. Sofort bewegte er sich in ihre Richtung. Das Erste, was er bemerkte, als er in ihre Nähe kam, war der Duft, der von ihr ausströmte. Nicht Blüten, Kräuter oder Moschus, sondern eine aufreizende, völlig unbekannte Mischung aus allen drei Substanzen.
Shelby hatte sich vor eine Glasvitrine gekauert und presste beinahe ihre Nase an die Scheibe. „Porzellan aus dem achtzehnten Jahrhundert“, wisperte sie, als er hinter ihr stand. „Ist es nicht wunderschön?“
Alan betrachtete die hauchdünne Schale und ließ dann seinen Blick zu Shelbys leuchtend rotem Haar wandern, das ihm bei Weitem besser gefiel. „Wirklich Aufsehen erregend!“ sagte er anerkennend.
Shelby schaute über ihre Schulter zu ihm auf und lächelte. Das war so überraschend und bezaubernd wie ihr Duft. „Hallo!“
„Guten Abend!“ Alan ergriff die ausgestreckte Hand, die hart und kräftig war und absolut nicht zu ihrer Erscheinung passte, und half Shelby aufzustehen. Gegen seine sonstige Gewohnheit hielt er ihre Finger fest.
„Ich wurde von meinem Ziel abgelenkt“, erklärte sie freundlich. „Würden Sie mir einen Gefallen tun?“
Alan blickte sie erstaunt an. „Und was …“
„Nur stehen bleiben und mir Rückendeckung geben!“
Weitere Kostenlose Bücher