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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
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Umarmung und sah mir fest in die Augen. » Vertraust du mir, Jess? « , flehte er ein letztes Mal, die Stimme eigenartig heiser.
    » Ja « , bekräftigte ich.
    Er schüttelte seinen Mantel ab und legte ihn mir um die Schulter, dann wickelte er meinen unmöglichen langen Schal ab und legte mir stattdessen Catherines Schal um. Er beugte sich vor, sein heißer Atem streifte mein Ohr, und schlang meinen Schal erst um den Baumstamm, dann um mich und verknotete ihn fest. Wahrscheinlich sah ich ziemlich verdutzt aus, denn er küsste mich auf die Nasenspitze.
    » Vertraue mir « , murmelte er. Die Dunkelheit stürzte über uns herein. Seine Stimme veränderte sich und bekam eine drängende, warnende Färbung. » Und egal was passiert– lauf nicht weg. «
    Er drehte sich um und wir betrachteten Hand in Hand den Mond, der über den Bergen gen Osten glitt– weiß und voll, von einem Strahlenkranz umgeben.
    In der Ferne hörte ich einen Wolf, sein Heulen durchdrang die Luft und klang viel mächtiger als das aufgeregte Jaulen der Kojoten. Es geisterte durch die Ferne, jagte mit dem steifen Herbstwind zwischen den Bäumen hindurch, und ich dachte kurz an Farthington. Aber dann sah ich Pietr an, spürte den Druck seiner Hand und fühlte mich wieder sicher.
    Und dann ließ er mich los.
    Ich erschauerte.
    Er fiel plötzlich zu Boden und krümmte sich, dort am Waldrand, im weichen, milchigen Licht des Mondes.
    Ich schrie.
    » Pietr! Pietr! « Ich riss an dem Schal, mit dem er mich an den Baumstamm gebunden hatte. Er hatte nur einen einfachen Knoten gemacht– es war nur ein Schal, oder? Warum hielt er mich so fest, drückte mich mit dem Rücken an den Baumstamm? Ich strampelte, wollte unbedingt zu Pietr. Er wand sich in Zuckungen… sein Körper krampfte sich fieberhaft zusammen… es war eine Art Anfall!
    Ich langte in meine Jackentasche und tastete nach meinem Handy. Ich klappte es auf und wollte den Notruf eingeben.
    » Njet! « , stöhnte er und ich sah kurz sein Gesicht. Er sah starr auf das Telefon in meiner Hand. Seine Augen glänzten wie der Mond und waren rot wie auf dem Foto in seinem Schülerausweis. » Njet « , befahl er und es klang wie ein Fauchen.
    Ich starrte ihn an, das Handy nur ein wertloser Haufen Technik in meiner zitternden Hand.
    Sein Gesicht verzerrte sich, als ob er Schmerzen hätte, dann veränderte es sich– es war ein hörbares Knacken, als ob Gelenke auseinanderbrächen, es wurde irgendwie länger. Ich fing wieder an zu schreien, mein Handy fiel achtlos auf den weichen Waldboden.
    Er zuckte zurück, das Gesicht abgewandt. Ich überlegte, ob ich mich doch noch aus der Schalfessel befreien könnte und wie schnell ich zum Haus zurück brauchen würde.
    Aber dann dachte ich an das, was er gesagt hatte: » Egal was passiert – lauf nicht weg. «
    » Pietr… « Der gekrümmte Körper vor mir auf dem Boden bewegte sich nicht mehr– er zuckte nicht und er zitterte nicht. » Pietr! «
    Der Mond strahlte ihn wie ein Scheinwerfer an. Dann beobachtete ich verblüfft, wie er sich aus seiner lockeren Kleidung wand. Doch was sich daraus entpuppte war nicht Pietr, sondern ein riesiger breitschultriger Wolf.
    Er schnüffelte in den Wind und nahm mich erst gar nicht wahr. Es erinnerte mich daran, wie Pietr auf dem Volksfest Annabelle Lee gesucht und die Menge durchforstet hatte. Doch dann nahm er meine Witterung auf und schwang seinen mächtigen Kopf zu mir herum und sah mich an. Seine Ohren legten sich flach an. Er knurrte, seine Lippen stülpten sich nach hinten und gaben den Blick auf eine Reihe tödlich gekrümmter Zähne frei, jeder einzelne von ihnen mindestens so groß wie mein Daumen.
    Ich rührte mich nicht, mein Atem ging flach.
    Und plötzlich erinnerte ich mich an den Abend in der Schule, als das Ungeheuer durch die Flure gestrichen war– und das Beratungslehrerbüro verwüstet hatte. War das Pietr gewesen? Aber die Zeichnung des Fells, die Farben… Nein, das musste ein anderes Ungeheuer gewesen sein. Das dicke silbergraue Fell des Wolfs fing das Sternenlicht ein, sein Pelz schimmerte hell wie seine Augen.
    Dieser Wolf unterschied sich auch von dem, der mich in jener Regennacht zu Boden gedrückt und menschliche Fußspuren im Lehm hinterlassen hatte.
    » Pietr? « , flüsterte ich und konnte mir einfach nicht vorstellen, dass dieser riesige Wolf derselbe Junge war, den ich nur wenige Minuten zuvor geküsst hatte.
    Er schnaubte, seine Brauen zogen sich über den Augen zusammen, die mir groß wie Laternen

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