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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
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vorbeigestrichen war. Mein Standardalbtraum hatte ein schreckenerregendes Vorspiel bekommen.

20
    A m nächsten Morgen fühlte ich mich immer noch wie gerädert und machte alles ganz mechanisch. Erledigte ohne Pietr meine Stallarbeiten (wahrscheinlich wollte er mir nicht mehr helfen) und sprach kein Wort mit meinen Pferden. Ich zog mich um, ohne darauf zu achten, was ich anzog. Ich aß mein Frühstück, ohne etwas zu schmecken. Ich stolperte durch den Bus und plumpste neben Pietr auf meinen Sitz, schlapp wie ein– Waschlappen? Wie eine Stoffpuppe? Ich weiß, dass sind nur Floskeln, aber der Punkt ist, dass sie genau passten. Im Gegensatz zu meinem T-Shirt, wie ich bald merkte.
    Es war ein Überbleibsel aus dem vergangenen Jahr und klebte nun an Körperteilen, die vor einem Jahr einfach noch nicht da gewesen waren. Außerdem spürte ich einen leichten Luftzug in Hüfthöhe. Na toll. Das schreckliche Shirt zeigte bei jeder Bewegung meinen Bauch. Ich zog und zupfte am Saum, um es nach unten zu verlängern, und dann hörte ich ein Reißen.
    Pietr sah mich an.
    Ich wurde rot. Super. Irgendwo hatte mich ein Saum im Stich gelassen.
    Pietr schnellte vor, um meinen Rucksack aufzufangen, der sich gerade selbstständig machte, und stieß dabei mit mir zusammen. Er sog tief die Luft ein, richtete sich wieder auf und sah mich von der Seite– und von hinten– an, als hätte die Luft ihn verwirrt. Er sah an mir vorbei. Den Gang hinunter.
    » Wartest du auf jemanden? «
    » Nein. Wo warst du gestern Abend? « , fragte er, so leise, dass ich mich vorbeugen musste, um ihn zu verstehen.
    » In der Schule. Musste an einem Artikel arbeiten. «
    » Die Geisterwolfgeschichte? «
    » Komischerweise nein. «
    Er legte den Kopf schräg. » Warum komischerweise? «
    Würde er mich für verrückt erklären, wenn ich ihm erzählte, was ich am Abend zuvor im Schulflur gesehen hatte? Also, ob es mir nun passte oder nicht, ich mochte Pietr. Wirklich. Sollte ich riskieren, dass sich seine Gefühle für mich änderten, nur weil ich ihm die Wahrheit erzählte? Ichsagte gleichgültig: » Komischerweise, weil es mir vorkommt, als würde ich an nichts anderem mehr arbeiten. « Pfui.
    Er nickte, aber tief in seinen strahlenden blauen Augen erkannte ich Fragen. Ich hatte nur eine Frage: Wie viele Lügen konnte ich noch erzählen, bevor ich ertappt wurde? Okay, das war nicht meine einzige Frage. Ich wollte auch wissen, wie ich dieses schreckliche Shirt wieder loskriegen konnte.
    Schließlich hielt der Bus mit quietschenden Bremsen. Alle erhoben sich gleichzeitig und schoben sich nach draußen.
    » Was zum… « Ich knallte gegen einen Unterstufenschüler vor mir, worauf Pietr, der dicht hinter mir ging, auf mich prallte.
    Auf der Bustreppe ging es nicht weiter.
    » Beweg dich, Stella « , schimpfte jemand, aber Stella war wie betäubt.
    Ich folgte ihrem Blick.
    Ein Schwarm von Polizisten tummelte sich auf dem Gehweg. Officer Kent, wie immer eine Kaffeetasse in der Hand, stand am Rand der Gruppe. Seine Augen wanderten von den uniformierten Kollegen, die sich ratlos am Kopf kratzten, zu unserem Bus. Dessen Nummer ausgerechnet die Glückszahl dreizehn war. Als wir ausstiegen, entfernte er sich von der Gruppe. Von den anderen Polizisten waren nur Wortfetzen zu hören:
    » Eigenartig… «
    » Keine Ahnung, was für ein… «
    » Kann doch kein… «
    » Aber ein Hund auch nicht… «
    Kent war am Bus angekommen und musterte Pietr. » Rusakova. Ich nehme an, deine Geschwister sind… «
    » Mit dem Auto gefahren « , bestätigte Pietr.
    » Hm. Ich freue mich, dass du es immer noch in die Schule schaffst. « Kent betrachtete Pietr von Kopf bis Fuß.
    » Aber nicht mehr lang, wenn Sie uns noch länger hier aufhalten « , sagte ich schnippisch und packte Pietr am Arm.
    Kent sah mich böse an, trat aber zur Seite. Ich zerrte Pietr weiter und ließ ihn erst vor der Schultür los.
    » Spasibo. Danke. «
    » Gern geschehen. Weiß auch nicht, was in mich gefahren ist « , gestand ich. » Was zum Teufel ist eigentlich passiert? «
    Stella sprang, von einem Fuß auf den anderen hüpfend, um uns herum und musterte Pietr mit neugierigen Blicken. » Hast du das getan? «
    » Was getan? « Sein Gesichtsausdruck zeigte keine Regung.
    » Das Beratungslehrerzimmer verwüstet! «
    » Was? « , rief ich ungläubig.
    » Jemand oder etwas ist dort eingedrungen und hat die Ordner durcheinandergeschmissen « , berichtete Stella. Ihr Interesse an mir als Verdächtiger war

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