Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
Vom Netzwerk:
du musst dein Sporttrikot anziehen. «
    Ich sah sie verständnislos an. Zu allem Ärger, den ich hatte, würde das Wasser bei meiner Wut wahrscheinlich jeden Moment verdunsten und von mir abdampfen. Und das schreckliche T-Shirt dadurch noch mehr eingehen.
    Pietrs Augen klebten an mir wie mein nasses Shirt an meinem Rücken. » Hier « , meinte er und zog seinen Pulli aus und stand nur noch im T-Shirt da. Er reichte mir den Pulli.
    Sarah ignorierte die Szene edelmütig, das Kinn gereckt.
    » Danke « , murmelte ich und rannte auf die Toilette. In null Komma nichts hatte ich mein Shirt aus – und Pietrs Pulli angezogen. Als ich im Spiegel kurz den Sitz meiner Haare prüfte, bemerkte ich, dass der Pulli mich ganz und gar einhüllte. Vom Kragen bis zu den langen Ärmeln und dem Geschlabber um meine Hüften. Pietrs Duft war mit dem Pulli verwoben wie der Wind, der im Winter durch die Äste der Kiefern streift. Ich sog den Duft in mir ein und versuchte, etwas von Pietr darin wiederzufinden– zu verstehen, warum er so unberechenbar war.
    Nichts passierte. In meinem Leben gab es eben keine magischen Erkenntnisse, nur Tragik und schale Bemühungen. Ich griff in die Tasche und rubbelte meinen Troststein.
    Mein Outfit entsprach zwar nicht modischen Maßstäben, war aber immer noch besser als das Sporttrikot. Und viel angenehmer als das T-Shirt, das ich im Waschbecken auswrang. Ich konnte es ja Annabelle Lee als Arbeitshemd überlassen. Falls sie je arbeiten sollte.
    Ich schob die Ärmel des Pullis bis zu den Ellbogen hoch, um die Tür aufzumachen. Dann rannte ich ins Klassenzimmer zurück. Mrs Hahn hatte mit dem angekündigten Umzug der Klasse gewartet, bis ich zurück war.
    » Reih dich ein « , befahl Mrs Hahn und zeigte auf die Spitze des Zugs. Ich gehorchte, stand nun unmittelbar vor Pietr und führte den unbändigen Zug an.
    » Danke « , flüsterte ich nach hinten. » Um was geht es eigentlich bei der Versammlung? «
    » Drogeninformation mit Anschauungsunterricht. «
    Ich nickte.
    Ich ging zielstrebig zur Sporthalle und bemerkte schon vom Flur aus, dass wir beinahe die Letzten waren. Über dem Eingang prangte ein Transparent mit der Aufschrift: Es ist nicht einerlei – sei drogenfrei. Keine Macht den Drogen! Die Tribüne war von Schülern überfüllt, die auf ihren Plätzen unbehaglich hin und her rutschten.
    Konrektor Perlson unterhielt sich mit einem Kriminalbeamten und ließ den Drogenhund, der brav daneben saß, nicht aus den Augen. Es war ein beeindruckend aussehender Schäferhund. Sein edles Profil und sein dickes Nackenfell verliehen ihm ein majestätisches Aussehen. Ich dachte daran, wie schäbig Maggie und Hunter neben ihm aussehen würden.
    » Rein mit euch. Setzt euch auf die linke Seite « , kommandierte Mrs Hahn und zeigte auf eine der wenigen freien Zonen auf der Tribüne. Ich beobachtete den Hund und wunderte mich, dass er trotz der vielen aufgeregten Kinder im Saal so ruhig war. Hunter hätte in dieser Situation wahrscheinlich die Leute in der ersten Reihe angepinkelt und Maggie hätte dazu aufmunternd gebellt.
    Süß, dachte ich, als ich sein akkurat gefaltetes, himmelblaues Halstuch bemerkte. Es ließ ihn weniger bedrohlich wirken. Ich überlegte, ob es ihm bei Schulveranstaltungen immer umgebunden wurde. Gewinne ihr Vertrauen, protze mit deinen Fähigkeiten und wenn sie nicht mehr auf der Hut sind, filze ihre Schließfächer!
    Und dann, als habe er gemerkt, dass meine Gedanken um ihn kreisten, drehte der Hund sich um und sah mich an. Er legte seinen Kopf auf die Seite, spitze seine Ohren, senkte seine glänzende Nase und nahm Witterung auf.
    Dann stand er auf. Und ging in Angriffsposition.

21
    D er Officer machte ein entschiedenes Handzeichen, und ich sah, wie seine Lippen ein Wort formulierten: Platz.
    Der Hund machte unaufgefordert einen Satz nach vorn, riss sich von der Leine und– stürmte los.
    Seine Ohren flatterten, seine lange Schnauze öffnete sich, seine Zähne blitzten, seine Augen fixierten das todsicherste Ziel seines Hundelebens– mich. Ich war wie gelähmt.
    Ich begriff kaum, in welchem Tempo dies alles geschah… Und leistete mir im selben Moment die Überlegung, dass das lustige Halstuch die böswilligste Täuschung war…
    Seine Muskeln traten hervor, als er zum Sprung ansetzte. Es sah aus wie in einer Tier-Dokumentation, wenn der Löwe seinem Opfer zielgenau an die Kehle springt. Es kam mir vor, als wäre ich gar nicht anwesend. Mein Kopf wollte einfach nicht akzeptieren, dass

Weitere Kostenlose Bücher