Zwischen Mond und Versprechen
auf einen launischen Teenager wirken könnten. Pietr, du bist wahrhaftig die Ausnahme von der Regel. «
Sarah lachte.
» Meine Damen « , schimpfte Miss Wyatt auf ihre neckende Art, » ich bitte um Konzentration. Wer von euch hat ein Zitat gefunden? «
Sarahs Hand schoss nach oben wie eine Rakete, Pietr meldete sich ebenfalls, langsamer– beinahe missgelaunt–, aber dennoch selbstbewusst.
» Gut, sehr gut « , lobte Miss Wyatt, bevor sie sich uns zuwandte. » Und ihr, Mädchen, was habt ihr euch überlegt? «
» Das Leben ist so konstruiert, dass ein Ereignis niemals den Erwartungen entsprechen kann oder wird « , maulte Amy.
» Aah. Die wunderbar pessimistische Sichtweise von Charlotte Brontë « , sagte Miss Wyatt sichtlich anerkennend. » Und du? « Sie sah mich an.
Ich schaute wieder auf das Blatt, dann auf Amy und dann auf Sarah. Sarah lächelte mir ausgesprochen ermutigend zu, die bösen Funken vom Tag zuvor waren reinstem Wohlwollen gewichen. Als ob wir nie gestritten hätten. Und ich glaubte, ich könnte sie vor sich selbst retten, wenn ich nur wollte. Egal wie lange es dauerte. » Da, die Nummer fünf! « , rief ich.
Miss Wyatt kniff die Augen zusammen. » Hmm. Albert Einstein. « Langsam las sie das Zitat vor. » Nicht auf Personen kommt es an, sondern auf Werke im Dienste der Gemeinschaft. «
Pietr und Amy sahen mich nur ruhig an. Sarah strahlte über das ganze Gesicht.
Dann war die Psychologiestunde um und wir stürmten aus dem Klassenzimmer. Draußen trafen wir Derek. Ich hätte schwören können, dass er zu Pietr sagte: » Leben als sei jeder Tag dein letzter? Das Leben ist zu kurz, um alles zu haben, oder? « Pietr schob sich einfach an Derek vorbei. Dieser grinste zu mir hinüber.
In Literatur gab es eine heiße Diskussion über Romeo und Julia! Dieses Gerede über gescheiterte Liebe, Lügen und naive Teenager-Beziehungen machten mich echt fertig.
Ich schaltete ab, am liebsten hätte ich nichts mehr davon gehört. Wir wussten doch alle, dass Romeo und Julia von Anfang an durch die Bosheit ihrer Familien und Angehörigen verdammt waren. Dass ihr Versuch, dem Schicksal zu entgehen und bis an ihr Ende fröhlich weiterzuleben, wegen mangelhafter Kommunikation in einer blutigen Tragödie endete. Das musste ich mir nicht antun. Nicht gerade jetzt.
Nach der Stunde ging ich kurz an mein Schließfach. An der Tür klebte eine Nachricht. Ich rief sofort zu Hause an. » Ja, einer meiner Reporter hat Mist gebaut. Ja. Der Fluch des Redakteurs– keine Lorbeeren, aber sämtliche Probleme. Nein, Dad, ich ruf an, wenn du mich holen sollst. Ja. Okay. Tschüss. Ja. Hab dich auch lieb, Dad. «
Den Rest des Tages schenkte ich meine Aufmerksamkeit zum Teil dem Artikel, den Sophia und ich schreiben mussten, zum Teil (meistens jedenfalls) dem Unterricht. Für Pietr hatte ich keine Zeit, ich warf ihm nur ab und zu einen heimlichen Blick zu, wenn er mal wieder zur Uhr sah. Wir sagten uns nicht einmal Tschüss. Überhaupt sprach ich an diesem Tag kaum mit meinen Freunden.
Sophia wartete schon vor dem Lehrerzimmer. Sie zog ihren Kragen hoch, sodass man noch weniger von ihr sah. Komisch, dass sie sich immer in ihren Kleidern versteckte. Eigentlich hatte sie einen tollen Teint.
» Hey, Soph. Ist jemand drin? «
» Mr Miles ist vor einer Minute gegangen. Ich glaube, jetzt ist niemand mehr da. «
» Super, dann an die Arbeit! « Ich machte die Tür auf und sah, was die meisten Schüler nie zu Gesicht bekamen. Ich ging an den Verkaufsautomaten und dem Minikühlschrank vorbei und setzte mich an den runden Tisch.
Sophia warf ein paar Münzen in den Automaten und versorgte uns mit Chips und Limo. » Hirnnahrung. «
» Das kann ich echt gebrauchen. Okay. Dann schreiben wir mal ein paar Stichworte auf zum Thema: Wahre Schönheit kommt von innen. «
Sophia, die zu den hübschesten Mädchen in meinem Bekanntenkreis zählte, nölte. » Das ist so was von öde. «
» Du hast gut reden, denn du bist von innen wie von außen schön « , erwiderte ich grinsend.
Sie streckte mir die Zunge raus.
» So schlimm ist das gar nicht « , räumte ich ein. » Es ist zwar ein langweiliges Lehrerthema, aber manchmal müssen wir eben tun, was sie sagen. Ist eben eine Schulzeitung. «
Sophia verdrehte die Augen. » Also gut, dann sammeln wir eben Stich… «
Die Tür ging auf und Derek und Jack traten, in ein Gespräch über Football vertieft, herein, um sich Limos aus dem Automaten zu ziehen.
Sophia sah mich mit großen Augen an
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