Zwischen Mond und Versprechen
allzu großen Sorgen darüber zu machen. « Alexi zuckte die Achseln. » In meiner Familie gehören ungewöhnliche Zusammenstöße mit Hunden zur Tagesordnung « , erwiderte er. » Manche Hunde mögen uns, andere nicht. « Er wandte sich an Officer Kent. » Können sie jetzt wieder in den Unterricht? «
Perlson antwortete. » Ich glaube, das könnte die übrige Schülerschaft durcheinanderbringen. Die meisten haben die Reaktion des Hundes miterlebt. Ich finde, sie sollten für heute nach Hause gehen und morgen wieder normal die Schule besuchen. Das gibt allen Zeit, sich wieder zu beruhigen. «
Alle nickten. Ich war froh, wenn sich die Dinge wieder beruhigten.
Auf dem Weg zum Parkplatz wandte ich mich noch einmal an Pietr. » Auch wenn du deinen Geburtstag nicht feierst, vielleicht hast du Lust, am Freitagabend mit uns allen auf den Rummel zu gehen? Dann würdest du quasi in deinen Geburtstag am Samstag hineinfeiern. « Ich lächelte einladend und fand, dass ich mich sehr freundlich um ihn bemühte.
Die gemeinsam verbrachten Stunden hatten dazu beigetragen, dass sich meine Stimmung und meine Haltung gegenüber Pietr wieder gebessert hatten. Dies und die Tatsache, dass er mich vor einem durchgeknallten Hund gerettet hatte. » Also, kommst du mit? «
» Okay. «
Ich fühlte mich sofort besser. Rundum.
Ich ließ mich auf den Rücksitz fallen und dachte an Pietrs Zettelchen in meiner Tasche. Ich konnte Dad unmöglich fragen, ob ich an diesem Abend mit Pietr ausgehen durfte. Nicht nach dem ganzen Wahnsinn, der geschehen war. Und der Gedanke, Dad zu fragen, ob ich bei Pietr übernachten dürfte– das war beinahe zum Lachen. Ich fand mich damit ab, dass ich mich heimlich würde hinausschleichen müssen. Auf eine weitere Lüge kam es nun auch nicht mehr an.
Ich rieb mir die Augen und hoffte, dass diese Lüge nicht der berühmte Tropfen sein würde, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Dad sprach auf dem Nachhauseweg kaum ein Wort, aber das erstaunte mich nicht. Dad war nie besonders gesprächig und was hätte er auch sagen sollen, zu einem unschuldigen Kind, das beinahe von einem Drogenhund zerfleischt worden war?
Abendessen und Hausaufgaben waren geschafft, aber dann schlug Dad vor, gemeinsam fernzusehen. Das war der Moment, in dem ich zappelig wurde.
Annabelle Lee beobachtete mich genau. Sie wusste, dass etwas im Busch war, und wollte, dass ich wusste, dass sie es wusste. Sie saß auf dem Sofa, streckte sich und legte ihr Buch zur Seite. » Ich bin total müde « , gähnte sie plötzlich, » ich glaube, ich gehe schlafen. «
Ich reagierte prompt. » Da gebe ich dir ausnahmsweise recht. Heute war ein anstrengender Tag. « Ich gab Dad einen kurzen Schmatz auf die Wange.
Er sah erst uns beide an, dann die Uhr. » Stimmt, ich könnte auch ins Bett gehen. Es ist noch früh, aber morgen muss ich eine Doppelschicht einlegen. Weckt mich nicht zum Frühstück. «
Wir nickten, knipsten die Lichter aus und gingen nach oben in unsere Zimmer.
In meiner Hosentasche vibrierte mein Handy. Ich klappte es auf. Eine SMS von Pietr.
Heute Nacht.
Ich antwortete: So bald wie möglich.
Ich knipste das Licht aus, setzte mich aufs Bett und wartete. Ich hörte meinen Vater aus dem Bad kommen, über den Flur und in sein Zimmer gehen. Die Tür ging hinter ihm zu.
Bis gleich, tippte ich. Alles in Ordnung.
22
Leise wie eine Katze schlich ich die Treppe hinab und zur Tür hinaus. Ich rannte über den freien Platz zwischen Haus und Scheune, denn wenn, dann würde Dad mich dort sehen können. In der Scheune blieb ich stehen und sog den süßen Duft des Heus und den Moschusduft der Pferde ein. Bei den Vorbereitungen zu meinem Ausritt beruhigte sich mein Herzschlag wieder.
» Komm, Schätzchen « , flüsterte ich beschwichtigend und steckte Rio die Trense ins Maul. » Nur ein kleiner Nachtritt. « Ich legte ihr die Satteldecke über und zog sie über den Widerrist. Sie schnaubte und schüttelte ihre Mähne. » Hey « , sagte ich, » noch eine Bitte. Wenn du noch kacken musst, mach das bitte jetzt. Ich habe wirklich keine Zeit zum Putzen, wenn wir unterwegs sind. Und wenn du einen dicken Pferdeapfel auf dem Weg liegen lässt, wissen alle, dass wir unterwegs waren. «
Rio schnaubte wieder.
» Okay « , flüsterte ich, » wenn du wirklich nicht musst… « Ich hievte den Sattel hoch und machte den Gurt fest. Dann rückte ich den Sattel zurecht und zog den Gurt etwas nach. Ich führte sie aus der Scheune in die frische Nachtluft hinaus.
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