Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
Vom Netzwerk:
erklärte Pietr in einem Ton, als wäre das völlig normal. » Manche Hunde mögen mich, manche nicht. «
    Ich setzte einen Fuß vor den anderen, obwohl ich gegen den Impuls ankämpfen musste, ihn anzuspringen und zu erwürgen. Selbst wenn es einmal vorgekommen sein sollte, dass ein Hund mich nicht mochte, die Kehle hatte mir noch keiner durchbeißen wollen. Ich stieß die Tür zum Rektorat auf und hoffte im Stillen, sie würde zurückschlagen und Pietr treffen, aber sie fiel mit einem langsamen Ächzen ins Schloss. Eine weitere von vielen Enttäuschungen.
    Ich war einerseits dankbar, dass er mich vor dem plötzlich wahnsinnig gewordenen Hund gerettet hatte, andererseits ärgerte ich mich, weil er nicht offen zu mir war. Er log. Das ging mir echt auf den Geist.
    Vor der Tür zu Perlsons Büro blieb ich stehen. Er trat zwischen uns und öffnete.
    » Setzt euch. « Er lehnte sich mit gekreuzten Armen an seinen Schreibtisch. Wir nahmen stumm Platz. » Wir müssen noch auf einen Kriminalbeamten waren « , erklärte er. » Früher konnte jeder Lehrer oder Schulleiter die Durchsuchung vornehmen. Aber jetzt? « Er lächelte missmutig. » Wir müssen auf jemanden warten, der rechtlich autorisiert ist, und hoffen, dass ihr nur Drogen und keine Bomben dabei habt. «
    Ich beugte mich vor und spielte mit dem Saum von Pietrs Pulli. Der Pulli war so groß, dass er meine halben Oberschenkel bedeckte.
    » Ist das die neueste Mode? « , fragte Perlson und betrachtete plötzlich fachmännisch meine unpassende Kleiderzusammenstellung. Und das von einem Mann, der ein knallorangenes Poloshirt trug.
    » In Kunst hat es eine Wasserschlacht gegeben « , erklärte ich. Ich sah zu ihm auf und beantwortete die Frage, die sich ihm jetzt hundertprozentig aufdrängte. » Ich habe nicht angefangen. «
    » Kollateralschaden « , bestätigte Pietr.
    » Hast du… « , fragte Perlson Pietr vorwurfsvoll.
    Pietr schüttelte den Kopf. » Ich habe ihr meinen Pulli ausgeliehen. «
    » Hmm « , machte Perlson und nickte knapp. Ich sah ihm an, dass er nachdachte. Ich wusste nur nicht, worüber.
    Nach einer Weile erschien Officer Kent mit der obligatorischen Kaffeetasse in der Hand und einem plärrenden Funkgerät am Gürtel. » Wirklich seltsam « , sagte er zu Perlson, ohne uns zu beachten. » Der Hund ist nicht mehr zur Vernunft zu bringen. Hat den Kopf auf Officer Pauls Schuhe gelegt und winselt. « Er presste die Lippen so fest aufeinander, dass eine weiße Linie sich abzeichnete. » Paul sagt, er habe so etwas noch nie erlebt. Seine Schnüffelhunde haben immer perfekt gearbeitet. Dieser ist wohl nicht mehr zu gebrauchen. «
    Schließlich bedachte er uns mit einem Blick. » Okay. Wir fangen mit dir an, junger Mann. Hm. Rusakova « , erinnerte er sich. » Hast du vom Dauerschwänzen zum Drogendealen gewechselt? «
    » Njet « , erwiderte Pietr scharf.
    Officer Kent bedeutete Pietr kopfschüttelnd aufzustehen. » Dreh deine Taschen um. «
    Pietr gehorchte, langte in seine Hosentaschen und kehrte das Innerste nach Außen. Das Taschenfutter hing in einem komischen Winkel nach unten.
    Der Polizist schnaubte und sah mich an. » Du bist dran. «
    Ich musste den unteren Saum des Pullis zwischen die Zähne klemmen, um an meine Taschen zu kommen. Mit einiger Mühe drehte ich sie nach außen.
    » Schuhe und Socken « , befahl der Polizist.
    Ich streifte beides ab und nahm mir vor, entweder das Loch in meiner linken Socke zu stopfen oder sie ganz auszurangieren. Die Theorie, dass niemand das Loch sehen würde, hatte sich jedenfalls als durch und durch falsch erwiesen.
    » Hm « , machte der Officer.
    » Fertig? « , fragte Pietr ruhig.
    » Nein. Ihr könnt Schuhe und Socken wieder anziehen. Wir gehen jetzt zur Schulschwester. Dort müsst ihr euch ausziehen, damit sie feststellen kann, ob ihr etwas in der Unterwäsche versteckt habt. Das ist eine normale Prozedur « , beteuerte er.
    » Na großartig « , knurrte Pietr.
    » Was? « , neckte ich, während ich meine Sneaker wieder anzog. » Hast du nicht immer davon geträumt, normal zu sein? «
    Er lachte sogar. » Kaum. Normal ist so– durchschnittlich. « Er schmunzelte und band sich die Schuhe zu. Er sah mich an– dieser Neuzugang an unserer Schule, dieser Junge, der mich gerade vor einem wahnsinnig gewordenen Hund gerettet hatte– und sein Lächeln erreichte schließlich auch seine Augen. Mir wurde jetzt erst bewusst, dass er in den vergangenen Tagen nie mit den Augen gelächelt hatte. Der Unterschied war

Weitere Kostenlose Bücher