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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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viel Gewicht verloren, und seine Kleidung hing sackartig an ihm. Seine Augen waren trübe. Er litt an Schuppenflechte und kratzte sich ruhelos die Arme, so dass auf der weißen Haut lange rote Kratzspuren zurückblieben. »Ich würde Selbstmord begehen, wenn ich dächte, ich könnte damit durchkommen, ihn wie einen Unfall aussehen zu lassen.«

    »Solches Gerede will ich nicht hören«, sagte Streeter. »Bestimmt geht’s bald wieder aufwärts.«
    Im Juni kratzte Michael Jackson ab. Im August tat Carl Goodhugh es ihm nach, indem er an einem Stück Apfel erstickte. Sein Betreuer hätte den Heimlich-Handgriff durchführen und ihn retten können, aber der Betreuer war sechzehn Monate zuvor wegen Geldmangels entlassen worden. Gracie hatte Carl noch gurgeln hören, aber geglaubt, das sei »bloß sein üblicher Scheiß«, wie sie später sagte. Die gute Nachricht war, dass auch Carl eine Lebensversicherung hatte. Nur eine kleine, die aber immerhin die Bestattungskosten deckte.
    Nach der Beerdigung (Tom Goodhugh schluchzte die ganze Zeit und klammerte sich haltsuchend an seinen alten Freund) hatte Streeter eine großzügige Anwandlung. Er ermittelte Kiefer Sutherlands Studioadresse und schickte ihm ein Big Book der Anonymen Alkoholiker. Es würde vermutlich gleich in den Müll fliegen (wie die zahllosen anderen Big Books, die Fans ihm im Lauf der Jahre geschickt hatten), aber man konnte nie wissen. Manchmal geschahen Wunder.
     
    Anfang September 2009, an einem heißen Sommerabend, fuhren Streeter und Janet zu der Straße hinaus, die hinter dem Derry County Airport vorbeiführte. Auf dem mit Kies bestreuten Platz außerhalb des Metallzauns wartete niemand auf Kunden, also parkte er mit seinem blauen Pathfinder dort und legte den rechten Arm um seine Frau, die er inniger und rückhaltloser liebte als je zuvor. Die Sonne ging als rote Kugel unter.
    Als er sich Janet zuwandte, sah er, dass sie weinte. Er drehte ihr Kinn zu sich her und küsste die Tränen feierlich weg. Davon musste sie lächeln.
    »Was hast du, Schatz?«

    »Ich habe an die Goodhughs gedacht. Ich habe nie eine Familie gekannt, die eine solche Pechsträhne hatte. Pech? « Sie lachte humorlos. » Desaster wäre richtiger!«
    »Ich kenne auch keine«, sagte er, »aber so was passiert ständig. Eine der bei dem Anschlag in Mumbai getöteten Frauen war schwanger, hast du das gewusst? Ihr Zweijähriger hat überlebt, wäre aber fast totgeschlagen worden. Und …«
    Sie legte ihm zwei Finger auf die Lippen. »Pst! Nichts mehr davon. Das Leben ist nicht fair. Das wissen wir.«
    »Doch, das ist es!« Streeter sprach ernst. Im Licht der untergehenden Sonne erschien sein Gesicht rosig gesund. »Sieh bloß mich an. Es hat eine Zeit gegeben, da hättest du nie geglaubt, dass ich das Jahr 2009 erleben würde, oder?«
    »Ja, aber …«
    »Und unsere Ehe, weiter stark wie eine eichene Tür. Oder täusche ich mich?«
    Sie schüttelte den Kopf. Er täuschte sich nicht.
    »Du hast angefangen, freiberuflich für die Derry News zu schreiben, May macht beim Globe Karriere, und unser Sohn der Computerfreak ist mit fünfundzwanzig ein Medienmogul.«
    Sie begann wieder zu lächeln. Das erleichterte Streeter. Er hasste es, sie deprimiert zu sehen.
    »Das Leben ist fair. Jeder von uns wird neun Monate lang im Becher durchgeschüttelt, dann fallen die Würfel. Manche Leute kriegen lauter Siebener. Andere Leute werfen leider nur zwei Einser. Aber so ist die Welt eben.«
    Sie schlang die Arme um ihn. »Ich liebe dich, Schatz. Du siehst überall das Positive.«
    Streeter zuckte bescheiden mit den Achseln. »Das Wahrscheinlichkeitsgesetz begünstigt Optimisten, das würde dir jeder Banker sagen. Letztlich gleichen die Dinge sich doch wieder aus.«

    Die Venus erschien über dem Flughafen und funkelte vor dem dunkler werdenden Blau.
    »Wünsch dir was!«, verlangte Streeter.
    Janet schüttelte lachend den Kopf. »Was sollte ich mir wünschen? Ich habe alles, was ich will.«
    »Ich auch«, sagte Streeter, und dann wünschte er sich mit fest auf die Venus gerichtetem Blick mehr davon.

EINE GUTE EHE

1
    Das Einzige, wonach in lockerer Unterhaltung niemand fragt, dachte Darcy in den Tagen nach ihrem Fund in der Garage, war Folgendes: Wie ist Ihre Ehe? Die Leute fragten stattdessen: Wie war Ihr Wochenende? und Wie war Ihr Trip nach Florida? und Wie geht’s gesundheitlich? und Was machen die Kinder? Manchmal fragten sie wohl auch: Wie geht’s, wie steht’s? Aber niemand fragte: Wie ist Ihre

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