Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
Brunnen sehen wolle - ich wusste sogar, wie ich ihn bezeichnen würde -, da machte er halt und bedachte meinen Sohn mit einem erschreckend freundlichen Blick.
»Ich bin bei den Cotteries vorbeigefahren«, sagte er.
»Oh?«, sagte Henry. »Wirklich?«
»Hab euch ja erzählt, dass ich ungefähr jeden Busch bewässern muss, aber ich benutze lieber einen Abort, wenn gerade einer in der Nähe ist und die Leute ihn sauber halten. Da brauche ich mir keine Sorgen wegen Wespen zu machen, während ich darauf warte, dass aus meinem Dings ein bisschen Wasser tröpfelt. Und die Cotteries sind saubere Leute. Mit’ner hübschen Tochter. Ziemlich genau in deinem Alter, nicht wahr?«
»Ja, Sir«, sagte Henry und hob die Stimme bei dem Sir ganz leicht zu einer angedeuteten Frage.
»Du hast sie gern, nicht wahr? Und sie dich auch, wie ihre Mama sagt.«
»Hat sie das gesagt?«, fragte Henry überrascht, aber auch erfreut.
»Ja. Mrs. Cotterie hat gesagt, dass du dir Sorgen wegen deiner Mama machst und Shannon ihr etwas erzählt hat, was du zu diesem Thema gesagt hast. Als ich wissen wollte, was das war, hat sie gesagt, darüber darf sie nicht sprechen, aber ich könnte Shannon selbst fragen. Also hab ich’s getan.«
Henry starrte seine Stiefel an. »Ich hab sie gebeten, das für sich zu behalten.«
»Du wirst ihr’s doch nicht verübeln, oder?«, sagte Sheriff Jones. »Ich meine, wenn ein großer Kerl wie ich mit
einem Stern auf der Brust ein kleines Ding wie sie fragt, was sie weiß, ist es für das kleine Ding irgendwie schwierig dichtzuhalten, nicht wahr? Es muss praktisch auspacken, hab ich recht?«
»Weiß ich nicht«, sagte Henry, der noch immer den Kopf gesenkt hielt. »Wahrscheinlich.« Er spielte den Unglücklichen nicht nur; er war unglücklich. Obwohl alles so lief, wie wir gehofft hatten.
»Shannon sagt, dass deine Ma und dein Paps einen Riesenkrach wegen dem Verkauf von diesen 70 Hektar hatten, und als du dich auf die Seite deines Papas geschlagen hast, hat Missus James dir ordentlich eine geknallt.«
»Stimmt«, sagte Henry ausdruckslos. »Sie hatte zu viel getrunken.«
Sheriff Jones wandte sich an mich. »War sie betrunken oder nur beschwipst?«
»Irgendwo zwischendrin«, sagte ich. »Wenn sie richtig betrunken gewesen wäre, hätte sie die ganze Nacht geschlafen, statt aufzustehen, den Koffer zu packen und sich wie ein Dieb aus dem Haus zu schleichen.«
»Sie dachten, sie würde zurückkommen, sobald sie wieder nüchtern war, nicht wahr?«
»Genau. Bis zur Asphaltstraße sind es vier Meilen. Ich hab damit gerechnet, dass sie zurückkommt. Aber jemand muss angehalten und sie mitgenommen haben, bevor sie wieder bei klarem Verstand war. Ich tippe auf einen Fernfahrer auf der Fahrt von Lincoln nach Omaha.«
»Ja, ja, das denke ich auch. Sie hören bestimmt von ihr, wenn sie sich bei Mr. Lester meldet. Wenn sie sich in den Kopf gesetzt hat, weiter allein zu bleiben, wird sie Geld brauchen.«
Auf den Trichter war er also auch schon gekommen.
Sein Blick wurde schärfer. »Hatte sie überhaupt irgendwelches Geld in der Tasche, Mr. James?«
»Na ja …«
»Nicht schüchtern sein. Beichten tut der Seele gut. Damit haben die Katholiken mal recht, nicht wahr?«
»In meiner Kommode steht eine Blechdose. In der waren 200 Dollar - für die Wanderarbeiter, wenn sie nächsten Monat anfangen.«
»Und für Mr. Cotterie«, erinnerte Henry mich. Und zu Sheriff Jones sagte er: »Mr. Cotterie hat einen Mähdrescher für den Mais. Einen Harris Giant. Fast neu. Der ist eine Wucht.«
»Ja, ja, ich hab ihn auf seinem Hof stehen sehen. Ein Riesenbastard, was?’tschuldigung. Das ganze Geld aus der Dose war verschwunden, nehme ich mal an.«
Ich lächelte säuerlich - nur war es eigentlich nicht ich, der hier lächelte; der Hinterhältige hatte die Leitung übernommen, seit Sheriff Jones am Hackklotz gehalten hatte. »Sie hat zwanzig dagelassen. Sehr großzügig von ihr. Aber mehr als zwanzig nimmt Harlan Cotterie nie als Miete für seinen Mähdrescher, also ist das in Ordnung. Und was die Landarbeiter betrifft, gewährt mir Stoppenhauser von der Bank hoffentlich einen Kurzkredit. Das heißt, wenn er nicht der Farrington Company verpflichtet ist. Jedenfalls habe ich meinen besten Landarbeiter gleich hier bei mir.«
Ich wollte Henry freundlich das Haar zerzausen. Er duckte sich verlegen weg.
»So, nun habe ich reichlich Nachrichten für Mr. Lester, nicht wahr? Gefallen wird ihm keine davon, aber wenn er so clever ist, wie
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