Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Unsere bisherige Arbeit reichte nicht aus. Elpis war erst zur Hälfte mit Erde bedeckt. Das war natürlich in Ordnung, aber auch eine Ecke der blutigen Matratze ragte noch aus dem Erdreich.
    »Hilf mir«, sagte ich.
    »Reicht uns die Zeit, Papa?« Das klang nur mäßig interessiert.
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht. Steh nicht herum, hilf mir!«
    Die zweite Schaufel lehnte neben den zersplitterten Resten der alten Brunnenabdeckung an der Stallwand. Henry ergriff sie, und wir machten uns daran, Erde und Steine von der Ladefläche des Lastwagens zu schaufeln, so schnell wir nur konnten.
     
    Als der Wagen des County Sheriffs mit dem goldenen Stern auf der Tür und dem Suchscheinwerfer auf dem Dach vor dem Hackklotz hielt (und George und die Hühner wieder einmal in die Flucht trieb), saßen Henry und ich ohne Hemd auf den Verandastufen und teilten uns das Letzte, was Arlette James in ihrem Leben zubereitet hatte: einen Krug Limonade. Sheriff Jones stieg aus, ruckte seinen Gürtel hoch, nahm den Stetson ab, fuhr sich über sein ergrauendes Haar und setzte den Hut wieder entlang der Linie auf, an der die
weiße Haut seiner Stirn in kupferrote Gesichtshaut überging.
    »Guten Tag, Gents.« Er musterte unsere nackten Oberköper, schmutzigen Hände und schweißnassen Gesichter. »Heute Nachmittag wird schwer gearbeitet, was?«
    Ich spuckte aus. »Meine eigene verdammte Schuld.«
    »Ach, tatsächlich?«
    »Eine von unseren Kühe ist in den alten Tränkbrunnen gefallen«, sagte Henry.
    »Ach, tatsächlich?«, sagte Jones
    »Genau«, sagte ich. »Wollen Sie ein Glas Limonade, Sheriff? Die ist von Arlette.«
    »Von Arlette, was? Sie hat beschlossen, zurückzukommen, wie?«
    »Nein«, sagte ich. »Sie hat ihre liebsten Klamotten mitgenommen, aber die Limonade dagelassen. Trinken Sie ein Glas mit.«
    »Das tue ich. Aber erst muss ich den Abort benutzen. Seit ich Mitte fünfzig bin, kommt’s mir vor, als müsste ich an jeden Busch pinkeln. Das ist gottverdammt lästig.«
    »Der Abort ist hinter dem Haus. Sie müssen nur dem Trampelpfad folgen und Ausschau nach dem Halbmond in der Tür halten.«
    Er lachte, als wäre dies der beste Witz, den er letztens gehört hatte, und ging nach hinten. Würde er unterwegs stehen bleiben, um durch die Fenster ins Haus zu spähen? Das würde er tun, wenn er seinen Job verstand, und soviel ich gehört hatte, tat er das. Zumindest hatte er sich in jüngeren Jahren darauf verstanden.
    »Papa«, sagte Henry. Er sprach mit leiser Stimme.
    Ich sah ihn an.
    »Wenn er’s rauskriegt, will ich es nicht noch schlimmer machen. Ich kann lügen, aber es darf keinen weiteren Mord geben.«

    »Ist recht«, sagte ich. Es war ein kurzes Gespräch, aber eines, über das ich in den vergangenen acht Jahren oft nachgedacht habe.
    Sheriff Jones kam zurück und knöpfte dabei den Hosenschlitz zu.
    »Geh rein und hol dem Sheriff ein Glas«, wies ich Henry an.
    Henry ging hinein. Jones war mit den Knöpfen fertig, nahm seinen Hut ab, fuhr sich abermals übers Haar und setzte den Stetson wieder auf. Der Stern an seiner Brusttasche glänzte in der Nachmittagssonne. Der Revolver an seiner Hüfte war großkalibrig, und obwohl Jones zu alt war, um im Großen Krieg gekämpft zu haben, schien das Holster aus Beständen des Amerikanischen Expeditionskorps zu stammen. Vielleicht hatte es seinem Sohn gehört. Sein Sohn war drüben gefallen.
    »Gut riechender Abort«, sagte er. »An heißen Tagen immer schön.«
    »Arlette hat ziemlich regelmäßig ungelöschten Kalk reingestreut«, sagte ich. »Wenn sie nicht wiederkommt, will ich versuchen, das selbst zu tun. Kommen Sie auf die Veranda, dann können wir im Schatten sitzen.«
    »Schatten klingt gut, aber ich glaube, ich stehe lieber. Muss mein Rückgrat strecken.«
    Wir gingen nach oben auf die Veranda. Ich setzte mich, und er stand neben mir und sah auf mich herab. Mir gefiel es nicht, in dieser Position zu sein, aber ich bemühte mich, das Ganze geduldig zu ertragen. Henry kam mit einem Glas zurück. Sheriff Jones schenkte sich selbst ein, kostete die Limonade, stürzte sie dann größtenteils in einem Zug hinunter und schmatzte anerkennend mit den Lippen.
    »Ah, ist das gut, nicht wahr? Nicht zu sauer, nicht zu süß, gerade richtig.« Er lachte. »Ich rede wie Goldlöckchen,
was?« Er trank auch den Rest, schüttelte aber den Kopf, als Henry ihm gleich wieder nachschenken wollte. »Soll ich auf der Rückfahrt nach Hemingford Home etwa an jeden Zaunpfosten pissen? Und danach

Weitere Kostenlose Bücher