Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
Farmhaus, und als der Farmer an die Tür kam und fragte, was er für sie tun könne, bedrohte Henry ihn mit seiner Pistole und verlangte sein Auto und sein gesamtes Bargeld.
Die junge Frau in seiner Begleitung, erzählte der Farmer einem Reporter, stand mit dem Rücken zu ihnen auf der Veranda. Der Farmer glaubte, sie habe geweint. Er sagte, sie habe ihm leidgetan, weil sie ein schüchternes kleines Ding gewesen sei: unverkennbar schwanger und mit einem jungen Desperado unterwegs, der kein gutes Ende nehmen würde.
Ob sie versucht habe, ihn daran zu hindern, fragte der Reporter. Ob sie versucht habe, ihm den Überfall auszureden.
Nein, sagte der Farmer. Sie hatte ihnen nur den Rücken zugekehrt, als würde sie glauben, was sie nicht sehe, passiere auch nicht. Der klapprige alte Reo des Farmers wurde in der Nähe des Bahnhofs von McCook verlassen aufgefunden - mit einem Zettel auf dem Fahrersitz: Hier ist erst mal Ihr Wagen; das gestohlene Geld erstatten wir, sobald wir können. Wir haben Sie nur beraubt, weil wir in der Klemme saßen. Mit vorzüglicher Hochachtung »The Sweetheart Bandits«. Wessen Idee war dieser Name gewesen? Vermutlich Shannons, denn sie hatte auch diese Nachricht geschrieben. Dabei hatte sie ihn nur benutzt, um ihre wirklichen Namen nicht preisgeben zu müssen, aber das ist nun einmal der Stoff, aus dem Legenden entstehen.
Ein, zwei Tage später wurde die winzige Frontier Bank in Arapahoe, Colorado, überfallen. Der Bankräuber - mit tief in die Stirn gezogener flacher Schirmmütze und einem Halstuch vor Mund und Nase - war allein. Er erbeutete weniger als 100 Dollar und fuhr mit einem Hupmobile davon, das in McCook als gestohlen gemeldet worden war.
Am nächsten Tag wurde der junge Mann in der First Bank of Cheyenne Wells (der einzigen Bank in Cheyenne Wells) von einer jungen Frau begleitet. Auch sie hatte ihr Gesicht mit einem Halstuch getarnt, konnte aber nicht verbergen, dass sie schwanger war. Die beiden entkamen mit 400 Dollar und rasten nach Westen aus der Stadt. Die Polizei errichtete auf der Straße nach Denver eine Straßensperre, aber Henry handelte clever und hatte weiter Glück. Sie bogen kurz nach Cheyenne Wells nach Süden ab und arbeiteten sich auf unbefestigten Straßen und Viehtreiberpfaden weiter vor.
Eine Woche später bestieg ein junges Paar, das sich Harry und Susan Freeman nannte, in Colorado Springs den Zug nach San Francisco. Wieso die beiden in Grand Junction plötzlich ausstiegen, weiß ich nicht, und Arlette sagte nichts darüber - sie sahen etwas, was ihnen Angst einjagte, vermute ich mal. Ich weiß nur, dass sie dort eine Bank ausraubten und dann eine weitere in Ogden, Utah, überfielen. Ihre Art, Geld für ihr neues Leben zusammenzusparen vielleicht. Und in Ogden versuchte ein Mann, Henry vor dem Bankeingang aufzuhalten. Henry schoss ihm in die Brust. Der Mann rangelte trotzdem mit ihm, worauf Shannon ihn die Granitstufen hinunterstieß. So gelang ihnen die Flucht. Der von Henry Angeschossene starb zwei Tage später im Krankenhaus. Die Sweetheart Bandits waren zu Mördern geworden. In Utah erwartete verurteilte Mörder der Strang.
Unterdessen war es um Thanksgiving herum, ob davor oder danach, weiß ich nicht. Die Polizei westlich der Rockies hatte ihre Personenbeschreibung und hielt die Augen offen. Ich war von der im Kleiderschrank lauernden Ratte gebissen worden - glaube ich - oder war kurz davor. Arlette erzählte mir, sie seien tot, aber das waren sie nicht - nicht schon damals, als sie mich mit ihrem Gefolge heimsuchte.
Es war entweder eine Lüge oder eine Prophezeiung. Für mich ist das einerlei.
Ihre vorletzte Station war Deeth, Nevada. Dieser Tag Ende November, Anfang Dezember war bitterkalt, und aus dem weißen Himmel hatte es zu schneien begonnen. Sie wollten nur Eier und Kaffee in dem einzigen Schnellimbiss der Stadt, aber ihr Glück war aufgebraucht. Der Thekenmann stammte aus Elkhorn, Nebraska, und obwohl er seit Jahren nicht mehr zu Hause gewesen war, schickte seine Mutter ihm weiter gewissenhaft Pakete mit alten Ausgaben des World-Herald . Er hatte erst wenige Tage zuvor eine dieser Sendungen bekommen und merkte sofort, dass die Sweetheart Bandits aus Omaha an einem der Tische saßen.
Statt die Polizei anzurufen (oder den Sicherheitsdienst der nahe gelegenen Kupfermine, was schneller und wirkungsvoller gewesen wäre), entschied er sich dafür, sie selbst festzunehmen, wozu jeder Bürger berechtigt war. Er holte einen rostigen alten
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