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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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war nur noch Henry übrig, der in einer schäbigen kleinen Schlafbaracke
saß, in der vor ihnen ein Dutzend schmutziger Cowboys gelegen hatte, wohl öfter betrunken als nüchtern. Er saß da und streichelte Shannons goldenes Haar, während draußen der Wind heulte und das Blechdach der Hütte erzittern ließ.
    All diese Dinge erzählte Arlette mir - und das an einem Tag, an dem die beiden dem Untergang geweihten Kinder noch lebten. All diese Dinge erzählte sie mir, während die Ratten um mich herumkrochen und Gestank meine Nase füllte und meine entzündete, geschwollene Hand wie Feuer brannte.
    Ich flehte sie an, mich umzubringen, mir die Kehle durchzuschneiden, wie ich ihre durchgeschnitten hatte, aber sie tat nichts dergleichen. Sie tat es einfach nicht.
    Das war ihre Rache.
     
    Als der Besucher auf meine Farm kam, waren vielleicht zwei oder sogar drei Tage vergangen, obwohl ich das nicht glaube. Ich denke, dass es nur einer war. Ich glaube nicht, dass ich noch zwei oder drei Tage ohne Hilfe hätte durchhalten können. Ich hatte aufgehört zu essen und trank auch fast nichts mehr. Trotzdem schaffte ich es, aus dem Bett aufzustehen und zur Haustür zu torkeln, als jemand daran zu hämmern begann. Irgendwie glaubte ich, das könnte Henry sein, weil ich noch halbwegs zu hoffen wagte, dass Arlettes Besuch nur eine im Fieberwahn entstandene Illusion gewesen war … oder dass sie, wenn er real gewesen war, bestimmt gelogen hatte.
    Draußen stand Sheriff Jones. Als ich ihn sah, gaben meine Knie nach, und ich fiel nach vorn. Hätte er mich nicht aufgefangen, wäre ich auf die Veranda geschlagen. Ich wollte ihm von Henry und Shannon erzählen - dass Shannon angeschossen werden würde, dass die beiden in einer Hütte am Ortsrand von Elko enden würden, dass er, Sheriff
Jones, jemanden anrufen und das verhindern müsse, bevor es passiere. Heraus kam jedoch nur wirres Zeug, aber er verstand immerhin die Namen.
    »Er ist mit ihr durchgebrannt, das stimmt«, sagte Jones. »Aber wenn Harl vorbeigekommen ist und Ihnen das erzählt hat, warum hat er Sie dann so zurückgelassen? Was hat Sie gebissen?«
    »Ratte«, brachte ich heraus.
    Er legte einen Arm um mich und schleppte mich die Stufen hinunter und dann weiter zu seinem Wagen. George der Gockel lag steif gefroren neben dem Holzstapel, und die Kühe muhten. Wann hatte ich sie zuletzt gefüttert? Ich wusste es nicht.
    »Sheriff, Sie müssen …«
    Aber er unterbrach mich. Er glaubte, ich phantasiere, und wieso auch nicht? Er konnte spüren, dass ich im Fieber glühte, und sah es meinem geröteten Gesicht an. Er musste das Gefühl haben, den Arm um einen Ofen gelegt zu haben. »Sie müssen sich schonen. Und Sie sollten Arlette dankbar sein, ohne sie wäre ich nämlich niemals hergekommen.«
    »Tot«, stieß ich hervor.
    »Ja. Sie ist tot, das stimmt.«
    Also erzählte ich ihm, dass ich sie umgebracht hatte. Oh, diese Erleichterung! In meinem Kopf schien ein bisher verstopftes Rohr sich auf magische Weise geöffnet zu haben, und der infizierte Geist, der dort gefangen gewesen war, entwich endlich.
    Er warf mich wie einen Mehlsack in seinen Wagen. »Über Arlette reden wir später. Als Erstes bringe ich Sie zu den Barmherzigen Schwestern und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir nicht ins Auto kotzen würden.«
    Als er vom Hof fuhr und den toten Gockel und die muhenden Kühe zurückließ (und die Ratten! die nicht zu
vergessen! ha!), setzte ich nochmals an, ihm zu erzählen, dass es für Henry und Shannon vielleicht noch nicht zu spät sei, dass sie vielleicht noch zu retten seien. Ich hörte mich sagen: Dies sind Dinge, die noch geschehen können, als wäre ich der Geist der künftigen Weihnachten aus Dickens’ Weihnachtsgeschichte . Dann verlor ich das Bewusstsein. Als ich wieder aufwachte, hatten wir den 2. Dezember, und die Zeitungen im Westen meldeten: »SWEETHEART BANDITS« ENTKOMMEN POLIZEI IN ELKO, WEITERHIN FLÜCHTIG. Das stimmte zwar nicht, aber das wusste noch niemand. Außer Arlette, versteht sich. Und mir.
     
    Der Arzt glaubte, der Wundbrand habe den Unterarm noch nicht erfasst, und setzte mein Leben aufs Spiel, indem er nur die linke Hand amputierte. Seine Spekulation ging auf. Fünf Tage nachdem Sheriff Jones mich ins Krankenhaus zu den Barmherzigen Schwestern in Hemingford City gebracht hatte, lag ich blass und schwach in einem Krankenbett, zwanzig Pfund leichter und ohne meine linke Hand, aber lebendig.
    Jones kam mich besuchen. Er hatte eine ernste Miene

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