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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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aufgesetzt. Ich war darauf gefasst, dass er mir mitteilen würde, er verhafte mich wegen Mordes an meiner Frau, und meine verbliebene Hand an einen Bettpfosten ketten würde. Stattdessen sprach er mir sein Beileid zu meinem Verlust aus. Zu meinem Verlust! Was verstand dieser Idiot davon ?
     
    Wieso sitze ich in diesem schäbigen Hotelzimmer (wenngleich nicht allein!), statt in einem Mördergrab zu liegen? Das kann ich Ihnen in drei Worten sagen: wegen meiner Mutter.
    Wie Sheriff Jones hatte sie die Angewohnheit, jede Unterhaltung mit rhetorischen Fragen zu würzen. Bei ihm
war das ein Gesprächstrick, den er sich in lebenslanger Polizeiarbeit angeeignet hatte - er stellte seine albernen kleinen Fragen, dann beobachtete er sein Gegenüber auf schuldbewusste Reaktionen: ein Zusammenzucken, ein Stirnrunzeln, ein kaum merkliches Wegsehen. Bei meiner Mutter war das nur eine Angewohnheit, die sie von ihrer englischen Mutter übernommen und an mich weitergegeben hatte. Jeglichen schwachen britischen Akzent, den ich vielleicht einmal hatte, habe ich längst verloren, aber die Art meiner Mutter, Aussagen in Frageform zu kleiden, ist mir geblieben. Beispielsweise sagte sie: Du solltest jetzt lieber reinkommen, nicht wahr? Oder: Dein Vater hat wieder seinen Lunch vergessen; du wirst ihn ihm bringen müssen, stimmt’s? Selbst Bemerkungen über das Wetter klangen wie Fragen: Wieder ein Regentag, nicht wahr?
    Obwohl ich an jenem Tag Ende November, als Sheriff Jones vor meiner Tür gestanden hatte, fiebrig und sehr krank gewesen war, hatte ich mich nicht im Delirium befunden. Ich erinnere mich sehr genau an unser Gespräch, so wie man sich manchmal an Bilder aus einem besonders lebhaften Albtraum erinnert.
    Sie sollten Arlette dankbar sein, denn ohne sie wäre ich niemals hergekommen, hatte er gesagt.
    Tot, hatte ich geantwortet.
    Sheriff Jones: Sie ist tot, das stimmt.
    Und dann hatte ich gesprochen, wie ich’s auf dem Schoß meiner Mutter gelernt hatte: Ich habe sie umgebracht, nicht wahr?
    Sheriff Jones fasste den rhetorischen Kunstgriff meiner Mutter (und nicht zu vergessen seinen eigenen) als wirkliche Frage auf. Jahre später - in der Fabrik, in der ich Arbeit gefunden hatte, nachdem ich die Farm hatte verkaufen müssen - hörte ich, wie ein Vorarbeiter einen Versandarbeiter dafür ausschalt, dass er eine Lieferung statt nach
Davenport nach Des Moines geschickt hatte, ohne den Auftrag aus dem Hauptbüro abzuwarten. Aber die Mittwochlie ferung geht immer nach Des Moines, protestierte der vor seiner Entlassung stehende Mann. Ich habe nur angenommen …
    Annahmen machen Sie und mich zum Esel, antwortete der Vorarbeiter. Eine alte Redensart, vermute ich, die ich jedoch zum ersten Mal hörte. Und ist es verwunderlich, dass ich dabei an Sheriff Jones denken musste? Die Angewohnheit meiner Mutter, Aussagen in Frageform zu kleiden, bewahrte mich vor dem elektrischen Stuhl. Ich musste mich wegen des Mordes an meiner Frau nie vor einem Geschworenengericht verantworten.
    Das heißt, bislang noch nicht.
     
    Sie sind hier bei mir, weit mehr als zwölf, an allen Wänden entlang der Fußbodenleiste aufgereiht, und beobachten mich mit öligen Augen. Käme ein Zimmermädchen mit frischer Bettwäsche herein und sähe diese Geschworenen im Pelz, würde sie kreischend hinauslaufen, aber hier wird kein Mädchen hereinkommen; vor zwei Tagen habe ich das Schild BITTE NICHT STÖREN außen an die Türklinke gehängt, und dort baumelt es noch immer. Ich bin nicht ausgegangen. Ich könnte mir aus dem Restaurant unten auf der Straße Essen kommen lassen, nehme ich an, aber ich vermute, dass Essen sie provozieren würde. Ich bin ohnehin nicht hungrig, also ist das kein großes Opfer. Sie sind bisher geduldig gewesen, meine Geschworenen, aber ich befürchte, dass sie das nicht mehr lange bleiben werden. Wie alle Geschworenen warten sie darauf, dass die Zeugenaussagen abgeschlossen werden, damit sie ein Urteil fällen, ihre symbolische Entschädigung kassieren (in diesem Fall in Form von Fleisch) und zu ihren Familien heimkehren können. Deshalb muss ich zum Ende kommen.

    Das wird nicht lange dauern. Der schwierige Teil liegt hinter mir.
     
    Als Sheriff Jones sich an mein Krankenbett setzte, sagte er: »Sie haben es vermutlich in meinem Blick gesehen. Nicht wahr?«
    Ich war weiter sehr krank, aber erholt genug, um vorsichtig zu sein. »Was gesehen, Sheriff?«
    »Was ich Ihnen mitteilen wollte. Sie erinnern sich nicht daran, nicht wahr? Na, das

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