Zwischen Olivenhainen (German Edition)
du doch, oder Leslie?“ Leslie biss sich auf die Unterlippe. Kaute darauf herum und überlegte fieberhaft, was sie darauf antworten sollte. Am einfachsten war es, mit der Wahrheit herauszurücken.
„Ich weiß es nicht“, sagte sie mit fester Stimme. „Ich weiß wirklich nicht, wie es in nächster Zeit weitergehen wird. Aber ich komme zurück, versprochen.“ Annes Unterlippe zitterte.
„Und was, wenn nicht?“, brachte sie stockend hervor. „Was, wenn dir irgendwas … passiert?“ Leslie wusste nur zu gut, dass sie an Antonio dachte.
„Mir passiert nichts“, sagte sie beruhigend und zog Anne an sich, „ich kann auf mich aufpassen, glaub mir.“ Anne schniefte in Leslies teures Kleid.
„Wenn du auf dich aufgepasst hättest, wärst du nicht mit Raffaello zusammen und würdest gleich neben mir im Flugzeug sitzen“, heulte sie. „Ich hatte immer das Gefühl, ich müsste auf dich aufpassen – und ich hab’ Angst, dass sich der –“, sie schniefte, „der Mafioso nicht um dich kümmert, wie – ach, Scheiße, verdammt!“, fluchte sie und stampfte fest mit dem Fuß auf den Boden, als sie nun wirklich anfing, Rotz und Wasser zu heulen. „Gib mir ’ne Ohrfeige, Leslie“, schniefte sie.
„Was?“
„Mach schon! Die gucken alle schon ...!“ Als Leslie es nicht tat, tat sie es selbst. Nicht besonders fest, wahrscheinlich traute sie sich das nicht, aber wie durch ein Wunder hörte sie auf zu weinen. Dann musterte sie Leslie von Kopf bis Fuß, als habe sie erst eben richtig begriffen, dass sie vor ihr stand.
„Was hast du da an?“, fragte sie und zupfte an dem teuren Kleid, das Leslie am Morgen schnell übergezogen hatte. „Hat er dir das Teil gekauft?“
„Hm“, machte Leslie nur. Anne verzog das Gesicht.
„Der Typ hat ’nen grauenhaften Geschmack“, stellte sie fest. „Behalte meine Jeans und das T-Shirt, du wirst es lieben!“ Leslie erwiderte nichts. Ehrlich gesagt fand sie das Kleid sogar ganz schön. Es war nur ein bisschen zu kurz, aber das war bei der Hitze ganz angenehm.
„Du …“, sagte Anne. „Ich werd’ dich vermissen. Echt. Ich werd’ dich so schrecklich vermissen.“ Und damit zog sie Leslie erneut in die Arme, drückte sie ganz fest an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Wir telefonieren, ja?“, sagte sie, doch es klang nicht wie eine Frage. „Ich will wissen, ob es dir gut geht. Und …“ Sie ließ Leslie los. „Was soll ich deiner Mom ausrichten?“ Leslie winkte ab.
„Sie weiß Bescheid“, murmelte sie, „über Raffaello.“ Annes Augen wurden riesig.
„Über den Mafiakram?!“, schrie sie – und schlug sich im selben Moment die Hand vor den Mund, als sich einige Leute zu ihr umsahen. Leslie schloss für Sekunden die Augen.
„Natürlich nicht“, sagte sie dann. „Nur darüber, dass ich noch hierbleibe. Und – wehe, Anne, ich hack dir den Kopf ab – wehe, wenn du ihr auch nur ein Sterbenswörtchen davon erzählst!“ Eine trotzige Falte erschien zwischen Annes hellblonden Augenbrauen, doch dann nickte sie.
„Mach ich nicht“, versprach sie. „Aber vielleicht solltest du mal wieder von dir hören lassen. Die denken noch, du bist mit deinem Typen durchgebrannt … Ach du Scheiße!“ Sie warf einen hektischen Blick auf ihre Armbanduhr, dann drückte sie Leslie noch einmal ganz fest an sich, nuschelte „Ich hab’ dich lieb“, zerrte ihren Koffer hinter sich her und eilte in Richtung der Sicherheitskontrollen, nicht ohne sich noch einmal umzusehen und zu winken – dann war sie verschwunden.
Und Leslie stand alleine in der großen Eingangshalle in dem Gewühl aus Menschen und blickte ihrer besten Freundin nach. Anne war weg. Sie wusste nicht, wie sie sich daran gewöhnen sollte. Oder ob sie es überhaupt konnte. Eine gefühlte Ewigkeit stand sie einfach nur da und blickte in die Richtung, in die Anne verschwunden war. Alles, was sie mit ihr zusammen erlebt hatte, blitzte nun in ihren Gedanken auf, wie ein nicht geschnittener Film, Bruchstücke aus Erinnerungen. Denn das waren sie jetzt. Nur noch Erinnerungen. Leslie schloss die Augen und versuchte die Tränen hinunterzuschlucken, die in ihren Augen und im Hals brannten, dann atmete sie tief durch – und drehte sich um.
Raffaello lehnte noch immer an seinem Auto, als sie den Parkplatz erreichte, die Sonnenbrille auf der Nase und die Hände in den Hosentaschen vergraben. Er lächelte ihr aufmunternd zu und legte ihr einen Arm um die Taille.
„Weißt du“, sagte er
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