Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Schnauben.
„Mehr als das, was passiert ist, kann nicht mehr passieren“, entgegnete Anne düster. „Ich wollte dir nur Bescheid sagen, dass ich morgen nach Hause fliege. Morgen früh um acht. Gehe ich recht in der Annahme, dass du nicht mit mir kommst? Oder hat die Sache mit … Antonio was zwischen dir und dem äh – Mafioso geändert?“
„Nein“, sagte Leslie. „Nein, ich komme nicht mit und nein, es hat sich nichts geändert. Ich kann meine Gefühle nicht einfach abstellen, Anne.“
„Na dann“, sagte Anne ruhig und mit einem Mal klang sie fast, als müsste sie sich krampfhaft dazu zwingen nicht zu weinen. „Ich werd’ dich vermissen. Echt. Verdammt!“, fluchte sie, als sie schließlich tatsächlich losheulte. Leslie hörte sie schniefen, in ein Taschentuch schnäuzen, und dann nuschelte Anne ins Telefon:
„Ich hab’ dich lieb. Und … hoffentlich sehen wir uns bald wieder. Bis irgendwann, Leslie …“ Und bevor Leslie irgendetwas erwidern konnte, hatte sie aufgelegt.
Eine ganze Weile lang stand Leslie da und starrte auf das Handy in ihrer rechten Hand, bevor sie langsam begriff, was Anne da gesagt hatte. Sie würde sie nicht wiedersehen. Vielleicht für eine sehr lange Zeit nicht.
„Was hat sie gesagt?“, fragte Raffaello vorsichtig und kam durch das Wasser auf sie zu. Leslie biss sich auf die Unterlippe.
„Sie fliegt morgen nach Schottland zurück“, sagte sie dann tonlos. „Ich sehe sie nicht mehr … glaub ich.“
„Hm“, machte er nur nachdenklich, stand reglos vor ihr im Mondlicht und ließ sie nicht eine Sekunde aus den Augen. „Vielleicht solltest du dich schlafen legen, Leslie.“
„Ich bin nicht müde. Ich hab’ lange genug geschlafen“, sagte sie. Doch er schüttelte den Kopf.
„Ich muss noch kurz was erledigen, dann komme ich zu dir“, sagte er. Was in ihren Ohren so viel hieß, wie: „Geh schlafen, damit ich in Ruhe meinen mafiösen Machenschaften nachgehen kann.“ Trotzig schob sie die Unterlippe vor, doch dann drückte sie ihm entschlossen einen langen Kuss auf die Lippen, doch kurz bevor sie ihm wieder hemmungslos verfallen war, kletterte sie triefnass aus dem Pool und raffte ihre Sachen zusammen.
49
„Aufwachen!“ Leslie riss die Augen auf – und kniff sie gleich wieder zusammen, als Raffaello die Vorhänge vor dem Fenster im Schlafzimmer mit einem Ruck zur Seite zog. Dann trat er auf das breite Bett zu, ließ sich auf dessen Rand nieder und zog Leslie im Zeitlupentempo die Decke weg.
„Du hast doch erst so lange geschlafen“, raunte er dicht an ihrem Ohr. „Wie konntest du da schon wieder so tief durchschlafen? Beneidenswert, wenn du mich fragst.“ Gähnend rappelte sich Leslie auf.
„Und du?“, entgegnete sie. „Du schläfst nie oder was?“ Er zuckte mit den Schultern und wirkte mit einem Mal etwas ernster.
„Berufsrisiko“, behauptete er. „Ich hab’ mich daran gewöhnt, mit vier bis fünf Stunden Schlaf auszukommen. Außer wenn ich mit dir zusammen bin – dann schlafe ich noch weniger.“ Er grinste und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Jetzt steh schon auf und mach dich fertig, sonst kommen wir zu spät.“ Leslie stutzte.
„Wohin?“
„Wirst du sehen.“ Er wies mit der Hand auf den geräumigen Kleiderschrank, der an der Wand stand.
„Deine chlordurchweichten Sachen von gestern hab’ ich in die Waschmaschine getan. Ich fürchte, du musst dir was davon aussuchen. Und beeil dich.“ Er zwinkerte und zog dann die Zimmertür hinter sich zu. Mit einigen unguten Vorahnungen trat Leslie auf den Schrank zu und öffnete ihn. Er war vollgestopft mit teuren Kleidern, Blusen, Hosen und Schuhen – die meisten mit hohem Absatz. Genau die Sachen, die sie in Kalabrien so rücksichtsvoll zurückgelassen hatte. Na toll. Zähneknirschend machte Leslie sich daran nach etwas zu suchen, das wenigstens ein kleines bisschen unauffällig und nicht ganz so teuer aussah. Dabei war ihr nur allzu bewusst, dass Raffaello ihre Sachen mit Absicht gleich in die Waschmaschine gesteckt hatte. Als sie schließlich die Küche betrat, in einem grauen Satinkleid und flachen Schnürschuhen, die absolut nicht dazu passten, erhob sich Raffaello vom Küchentisch, in Jeans und schwarzem T-Shirt, trank den letzten Schluck schrecklich schwarzen Kaffees aus, ließ die Tasse stehen, klemmte sich eine Dose mit irgendetwas Essbarem unter den Arm und musterte Leslie kurz.
„Schick“, sagte er anerkennend, doch als er einen Blick auf ihre Schuhe
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