Zwischen Olivenhainen (German Edition)
warf, schüttelte er lächelnd den Kopf. „Daran arbeiten wir noch, ja?“, sagte er. Dann drückte er ihr die Dose in die Hände und schritt auf die Haustür zu.
„Falls du Hunger hast“, sagte er und zeigte auf die Dose, die Leslie in den Händen hielt. Dann ging er hinaus zu seinem Maserati, der tiefschwarz, blitzblank und mit offenem Dach im Hof vor der Tür stand. Leslie verlangsamte ihre Schritte, als sie die beiden Männer mit den Gewehren in der Einfahrt erblickte. Großer Gott, waren die auch gestern die ganze Zeit über hier gewesen? Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Dann stieg sie neben Raffaello in sein Cabrio. Während sie rasend schnell die Auffahrt hinuntersausten, öffnete sie die Dose.
„Pizza?“, entfuhr es ihr überrascht. „Zum Frühstück?“ Raffaello zuckte entschuldigend die Achseln.
„Von gestern. Ich konnte auf die Schnelle nichts anderes auftreiben“, sagte er. „Wenn du willst, gehen wir nachher essen.“
„Wo fahren wir eigentlich hin?“
„Zum Flughafen“, entgegnete er knapp.
„Oh“, machte Leslie, „warum?“ Raffaello holte tief Luft. „Ich dachte mir, du würdest deine Freundin vielleicht gerne noch mal sehen und dich von ihr verabschieden“, sagte er schließlich. Damit trat er fest aufs Gas und raste auf die Autobahn zu.
Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto schmerzhafter wurde Leslie bewusst, dass dies der letzte Tag war, an dem sie Anne sehen würde. Vielleicht nicht für immer, aber es würde nichts mehr so sein wie früher, sollten sie sich irgendwann wiedersehen. Beinahe schien es, als wisse Raffaello genau, was in ihren Gedanken vorging, denn er hielt die ganze Fahrt über den Mund und schaltete auch keine Musik ein.
Auf dem Parkplatz vor dem Flughafen empfing sie unerträgliche Hitze, die Luft schien über dem heißen Asphalt zu stehen, als Leslie aus dem Maserati stieg und sich umschaute. Anne war nirgends zu sehen. Raffaello lehnte sich neben ihr an sein Auto, spielte mit dem Schlüssel und beobachtete sie.
„Du solltest alleine reingehen“, sagte er dann. „Ich denke nicht, dass sie mich sehen will.“ Leslie zog eine Schnute.
„Aber –“, setzte sie an, doch er unterbrach sie.
„Sie ist deine Freundin – deine beste, also geh‘ alleine rein, damit ihr euch in Ruhe verabschieden könnt. Ich gehöre nicht dazu“, sagte er bestimmt und setzte seine Sonnenbrille auf – und im Stillen gab Leslie ihm recht. Sie atmete tief durch, nickte, dann ging sie so langsam wie möglich, ohne dass es aussah, als wartete sie darauf, dass er ihr doch noch nachkam, auf die breite Glastür am Eingang des Flughafens zu.
Zuerst raubten ihr die vielen Menschen, die hektisch kreuz und quer in der Eingangshalle umhereilten, die Sicht, aber nach einigen Sekunden hatte sie die Orientierung wieder. Anne saß auf ihrem Koffer, den anderen Reisenden mitten im Weg, hatte ihr den Rücken zugewandt und sah so schrecklich einsam aus, dass Leslie eine Sekunde zögerte, bevor sie geradewegs auf ihre Freundin zurannte und im Laufen laut ihren Namen rief. Anne drehte sich zu ihr um, eine undefinierbare Mischung aus Freude und Trauer auf dem Gesicht, stand auf und schloss Leslie fest in die Arme, als diese bei ihr ankam. Dann hielt sie sie auf Armeslänge von sich und betrachtete sie.
„Da bist du ja …“, sagte sie leise. Leslie fiel nichts Besseres ein, als einfach zu nicken.
„Raffaello hat mich gestern Nacht angerufen. Hat gesagt, dass du heute kommst“, murmelte Anne. „Also hab’ ich gewartet …“ Leslie konnte nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf ihr Gesicht stahl. Das also hatte er erledigt, als er sie ins Haus geschickt hatte. Doch keine mafiösen Angelegenheiten.
„Was?“, fragte Anne.
„Du hast ihn ‚Raffaello‘ genannt.“ Anne zuckte die Achseln.
„Das war ja auch das Netteste, was er bisher gemacht hat“, behauptetet sie. „Aber …“ Ihre hellblauen Augen wurden mit einem Mal ernst. „Wärst du auch so gekommen? Ohne dass er dafür gesorgt hätte?“ Was sollte sie nur darauf antworten? Beinahe traute sie sich nicht, ihrer Freundin in die Augen zu sehen. Sie wussten beide, dass sie nicht gekommen wäre. Dass sie es nicht ertragen hätte Abschied zu nehmen. Aber Raffaello hatte dafür gesorgt.
„Ich weiß nicht“, murmelte sie dann, doch Anne schien das schon gar nicht mehr wichtig zu finden.
„Sehen wir uns wieder?“, fragte sie plötzlich mit erstickter Stimme. „Du kommst doch wieder nach Hause? Das tust
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