Zwischen Rom und Mekka
betet dazu: »Gott, verleihe Kraft den Armen dieser Gläubigen, die wider die Feinde deiner Kirche streiten, auf dass der gewonnene Sieg deinem heiligen Namen bei allen Völkern zum Ruhme gereiche!« Es hilft; ein Sturm verwüstet die Schiffe der Sarazenen, mehr als diejenigen der päpstlichen Streiter. Der Papst betreibt nun mithilfe aus dem ganzen westlichen Europa auch den Bau einer riesigen Befestigung um den Vatikan; bis heute stehen diese »Leoninischen Mauern« rings um den kleinen Kirchenstaat.
Das gute geschichtliche Gedächtnis ohne ideologische Scheuklappen erzählt noch mehr in Rom: Die bewaffneten Wallfahrten im Zeichen des Halbmondes dauerten viel länger als die abendländischen Kreuzzüge und waren vor allem für den Islam von dauerhafterem Erfolg gekrönt - im Gegensatz zu denen unter dem Kreuz. Denn die Länder rund um das Mittelmeer waren beim Schwinden des Imperium Romanum, des alten Weströmischen Reiches, Christenland. Das war am Ende der Antike,
nach dem 5./6. Jahrhundert, zu jener Zeit, als bald der Islam entstand. Die Völker von den Säulen des Herkules (Gibraltar) über Kleinasien, Asia Minor, die heutige Türkei, bis zum Schwarzen Meer und zu den Wüsten Arabiens bekannten sich zum Glauben an Jesus Christus. Da ist nichts vergessen worden unter dem Bischof von Rom.
Kein Revanchismus
Es ist nur ein kirchenhistorisches Relikt, allerdings von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass in dem offiziellen Päpstlichen Jahrbuch (»Annuario Pontificio«) des Vatikans noch immer die uralten Kirchenprovinzen der Antike in Afrika und Asien verzeichnet sind, als Titelsitze für Auxiliarbischöfe. Jene Bistümer rund um das Mittelmeer, die in einer jahrhundertelangen Schwächephase des Abendlands im beginnenden Mittelalter an den Islam verloren gingen. An den Bischofssitzen der Kirchenväter des Urchristentums stehen Moscheen. Diese Diözesen der christlichen Antike sind von den Anhängern des Propheten Mohammed vor Jahrhunderten erobert worden. Also, und das wird im Vatikan nicht vergessen, nicht die Kreuzzüge markieren den Beginn des christlich-islamischen »Dialogs«, sondern die Eroberungen christlicher Gebiete durch muslimische Krieger.
Bei den »Titular«-Bischöfen und -Erzbischöfen herrscht freilich kein Revanchismus, das Gelüst, diese Gebiete wieder geistlich zu erobern. Aber doch eine gewisse Neugier. So reiste etwa der deutsche Kurienbischof Josef Clemens, wie er in einem Gespräch ganz entspannt erzählt, nach der Ernennung (durch Johannes Paul II. am 25. November 2003) und der Weihe (durch Kardinal Joseph Ratzinger am 6. Januar 2004) in sein virtuelles Bistum Segerme (Henchir el-Arat) im nordafrikanischen Tunesien. Vielleicht war ihm etwas wehmütig, aber er erinnert sich mehr an die freundlichen Gespräche mit den Gebildeten dort, einer Museumsdirektorin etwa, die ihn durch ihre Offenheit ohne jedes Misstrauen beeindruckte. Die christliche Geschichte Tunesiens liegt ja auch schon geraume Zeit zurück.
Der deutsche Erzbischof Erwin Ender, lange Jahre im diplomatischen
Dienst des Heiligen Stuhls, hält es eher für ein nettes Kuriosum, wie er lächelnd berichtet. Er ist Titularbischof des Bistums »Germania« in Numidien, ebenfalls im heutigen Tunesien gelegen, und war von 2003 bis 2007 Apostolischer Nuntius des Papstes in »Germania«, wie Deutschland. »Eine überraschende Fügung der Vorsehung«, nennt Ender das in seiner Residenz in Berlin-Kreuzberg. Aber er würde nicht im Traum daran denken, die zu Zeiten des Kirchenlehrers Augustinus im 4. und 5. Jahrhundert florierende Christendiözese »in Besitz nehmen« zu wollen, wie es die Bischöfe sonst am Anfang mit ihren Kirchenprovinzen machen. Bei den Stichworten »Islam« und »Muslime« denkt der Erzbischof an seine Jahre von 1990 bis 1997 als Botschafter des Papstes im Sudan, in der Hauptstadt Khartoum mit ihren gewaltigen Problemen, nachdenklich, traurig, weil die Lage für Christen und Muslime so bedrückend erschien.
Gebete und Sieg
Es war wieder ein Leo-Papst, der XIII. (1878-1903), der einen weiteren entscheidenden Sieg über Muslime feiern und verewigen wollte, 200 Jahre nach der Schlacht am Kahlenberg vor Wien gegen die Türken am 12. September 1683. Der damalige Papst, Innozenz XI. (1676-1689), schmiedete eine Christenkoalition, nicht nur gegen die Osmanen, sondern auch gegen Ludwig XIV. von Frankreich, der seinerseits das habsburgische Österreich schwächen wollte. Nach dem Abzug der Türken betete Innozenz:
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