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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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ideologischen Überschwang zu kompensieren. Deshalb stelle für den islamisch geprägten Staat der »Westen« mit seinen liberalen, demokratischen (nach der Mehrheit, nicht nach der religiösen Lehre ausgerichteten) Vorstellungen etwas Feindliches dar; durch »westliche« Ideen sei das ganze islamische System bedroht, fühlten sich religiöse Führer in die Enge getrieben, heißt es in den vatikanischen Ministerien. Deshalb wurde als diplomatische Devise ausgegeben: Nie etwas gegen den Islam im Allgemeinen sagen und damit dem Reden von einem Zusammenstoß der Kulturen oder Religionen von Anfang an ausweichen!
    Der Leiter des vatikanischen »Rats für Gerechtigkeit und Frieden«, der italienische Kardinal Martino, traf eine einleuchtende Unterscheidung. Nicht zwischen den Weltreligionen und großen Kulturen komme es zu Zusammenstößen. Die Spannungen und Gewaltausbrüche würden sich vielmehr »im Inneren jeder einzelnen Zivilisation« vollziehen. Hier finde die Auseinandersetzung zwischen Moderaten und Extremisten statt, der Kampf gegen den Terrorismus sei eine Art »Vierter Weltkrieg«, nach dem Dritten »Kalten«. Kardinal Martino konnte dieses Urteil durch seine vierzigjährige Erfahrung als »Weltenbummler« im kirchlichen Dienst und als Vatikanbeobachter bei den Vereinten Nationen in New York untermauern. Er berichtet: »Delegationen aus verschiedenen islamischen Ländern kamen in den Vatikan, um dem Papst für seine Friedensbemühungen zu danken, dafür, dass er diese furchtbare Bombe [vom Zusammenstoß der Kulturen] entschärft hat.«

Trotz Schwierigkeiten zuversichtlich
    Wie schwierig es ist, mit den Muslimen zu diskutieren, wissen seit Langem die Verantwortlichen im Interreligiösen Dialog-Rat und der Sonder-»Kommission für die religiösen Beziehungen
zu den Muslimen«. Man könne sich gerade noch auf allgemeine Grundsätze von Frieden und Versöhnung verständigen, wie es periodisch bei bilateralen Treffen geschieht. Wie es auch die »Gemeinschaft Sant’ Egidio«, eine internationale Bewegung engagierter Katholiken mit Zentrum in Rom, versucht. Aber lange galt es als unmöglich, zu verbindlichen Absprachen und Verpflichtungen zu kommen. Im Islam gebe es eben keine unbestrittenen, allgemein anerkannten Autoritäten, die zudem die Macht hätten, ihre Ideen auch gegen Widerstände durchzusetzen, wird stets in Rom geklagt. Aber der jordanische Monsignore am Islam-Pult im »Rat« zeigt sich mit jugendlichem Lächeln dennoch zuversichtlich.
    Die Verwirklichung der päpstlichen Leitlinien in der Außenpolitik obliegt dem Staatssekretariat, dem leitenden Kardinal als Premierminister und dem für die Beziehungen zu den Staaten zuständigen »Sekretär«, dem »Außenminister«, einem Erzbischof. Das eine ist es jedoch, als »Heiliger Stuhl«, als Papst-Staat mit internationaler moralischer Autorität, Gutwetter für den Frieden zu machen, auch mit arabisch-muslimischen Ländern mittels diplomatischer Beziehungen. Das andere ist es, für die Christen, im Besonderen für die kleinen katholischen Gemeinden in diesen Staaten, verlässliche Bedingungen für die freie Ausübung der Religion zu sichern. (Dafür sind die früheren Erfahrungswerte der vatikanischen Ostpolitik gegenüber den kommunistischen Regimen nützlich.) Nicht immer stimmen da die Beurteilungen der päpstlichen Nuntien, die Wünsche der Bischöfe in den Ortskirchen mit Hunderttausenden von Christen und die Überlegungen der Weltpolitiker im Vatikan überein.
    Im Apostolischen Palast des Papstes wird weniger über den »Führungswechsel« bei den Weltreligionen - von der katholischen Kirche zur muslimischen Weltgemeinde - diskutiert, sondern man geht ins Detail. Wie ist die Lage der christlichen Minderheiten, der oft winzigen katholischen Gemeinden in muslimischen Staaten? Welche Perspektiven bieten sich in den »gemischten« Ländern wie Indien oder Indonesien, wo es nicht nur um die Beziehungen zwischen Christen und Muslimen geht, wo vielmehr auch andere Religionsgemeinschaften beteiligt
sind? Welche Folgerungen lassen sich aus der Entwicklung in den pluralistischen Ländern mit immer stärkeren muslimischen Gruppen, wie Frankreich, Deutschland, Spanien und auch Italien, ziehen? Da stoßen selbst die klugen päpstlichen Diplomaten an die Grenzen von abstrakten Leitlinien und müssen anderen in der weiten Welt die Lösung von Problemen überlassen.

Kapitel 5
    Sonderfall Deutschland - Von Religiösen und Religionslosen
    Es war vielleicht doch der

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