Zwischen Rom und Mekka
»Deine Rechte, Herr, hat den Feind geschlagen.«
Andere schrieben es dem Eingreifen der Madonna zu und stifteten allein in Rom zwei schöne Kirchen ihr zu Ehren, »Santa Maria della Vittoria« in der Nähe der Diokletiansthermen und »Nome di Maria« am Trajansforum. Dem Polenkönig Jan Sobieski als Führer des Entsatzheeres kam das militärische Verdienst zu, die osmanischen Belagerer geschlagen zu haben, und einem polnischen Maler, Jan Alois Matejko, zwei Jahrhunderte später der Auftrag, in dem zweiten Saal vor den Raffael-Stanzen ein riesiges Gemälde zu schaffen. »Ad perpetuam rei memoriam«.
Um die Sache nie zu vergessen, dass damals Muslime von Europa abgewiesen wurden. 1683 begann in Wien der machtpolitische Niedergang des Islam und der Aufstieg der europäischen Mächte, nun auch mit dem Ausgreifen in islamische Stammlande.
Warum man in Rom die Erinnerung pflegt? Erstens, wie man in der Ewigen Stadt lernt, weil die Römer das schon immer seit der Antike taten. Sicher auch, wie jetzt im Vatikan zugegeben wird, um den geschichtlichen Rückblick im Zorn nicht allein auf die Kreuzzüge fixiert zu lassen. Vielleicht auch, um aus der Geschichte zu lernen, vorsichtiger mit dem Vorwurf der Aggressivität von Religionen umzugehen. Als etwa im 18. Jahrhundert die großen Lehrer der europäischen Aufklärung Toleranz predigten und vorschlugen, als echte, wahre Religion nur noch reine Humanität zu akzeptieren, fingen europäische Großmächte erst richtig an zu kolonialisieren. Engländer und Franzosen hinterließen gerade bei den Arabern mit der Zivilisierung im Zeichen der Aufklärung bis heute tiefe Spuren. Die römischen Kirchenhistoriker, wie etwa Walter Brandmüller, Präsident des »Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften«, sind deshalb nicht bereit, die Spannungen zwischen christlichen und muslimischen Völkern allein mit widerstreitenden Religionen zu erklären. Machtpolitik verbräme sich zuweilen gern mit Religion, geben sie zu bedenken.
Die intellektuelle Theorie und die machtpolitische Ideologie vom Zusammenprall der Religionen wurden in der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eindeutig zurückgewiesen. Die Erklärung über die nicht christlichen Religionen und jene über die Religionsfreiheit setzten den Dialog als oberste Maxime der Christen fest. Daran halten sich Päpste, Bischöfe und - bis auf wenige katholische Fundamentalisten - alle Gläubigen.
Sekretariat für die Nichtchristen - Rat für den Interreligiösen Dialog
Es blieb nicht bei feierlichen Erklärungen. Schon von Paul VI. wurde im Mai 1964 ein »Sekretariat für die Nichtchristen«
für die Beziehungen zu den anderen Weltreligionen und religiösen Gemeinschaften eingerichtet. Johannes Paul II. schuf daraus im Juni 1988 den jetzigen »Rat für den Interreligiösen Dialog«. Gebetstreffen des Papstes mit Vertretern der Weltreligionen, etwa in dem umbrischen Städtchen Assisi, der Heimat des friedliebenden Franziskus, waren zuerst (1986) eine Sensation; dann leuchteten sie allen ein. So führt die Kirche den Dialog mit dem Islam nicht erst seit dem Aufbrechen eines internationalen Terrorismus aus dem Geist des islamischen Extremismus.
Berührungsängste mit dem Islam hatte wohl noch Paul VI.; er suchte sie jedoch zu überwinden und zeigte sich bei Begegnungen mit Muslimen auf den internationalen Reisen bemüht tapfer. Johannes Paul II. kannte keine Furcht und hatte zudem ein ausgewogenes Geschichtsbewusstsein. Seine vierte Reise ins nicht italienische Ausland führte ihn im November 1979 in die Türkei (mit 99 Prozent Muslimen). Nach dem Attentat gegen den Papst im Mai 1981 erfuhr man, dass die päpstliche Visite in der offiziell laizistischen, doch islamisch geprägten Türkei immerhin so viel Unwillen hervorgerufen hatte, dass ein Extremist namens Ali Agca sich schon damals öffentlich für den Mord am Papst angedient hatte; eineinhalb Jahre später versuchte er ihn. Beim Besuch im christlich-muslimisch gemischten Nigeria im Februar 1982 musste Johannes Paul II. dann erleben, dass ihm die geistlichen Vertreter der muslimischen Bevölkerung im nördlichen Kaduna Treffen und Dialog verweigerten. Das machte ihn, wie erinnerlich, ziemlich nachdenklich, hielt den Papst jedoch nicht davon ab, weiter islamische Länder zu besuchen und überall muslimische Geistliche zu treffen.
Johannes Paul II. tat viel dafür, den Widerstreit zweier Religionen - Gottessohn Jesus Christus hier, Allahs Prophet Mohammed dort - in
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