Zwischen sieben und zwölf Uhr
die Richtigkeit seiner Voraussetzung zu prüfen, und sobald angemessene Unterstützung von der Polizeistation beschafft werden kann, wird eine Nachsuchung veranstaltet werden, die vor keinem Schlupfwinkel Halt macht und sich von keinerlei Versteck abhalten läßt, mag es so persönlicher oder privater Natur sein als es will. Ich sage dies, weil ich nicht möchte, daß du oder Fräulein Irwin sich darüber entrüsten, wenn er auch eure Räume betreten muß, da ja, wie ihr wißt, ein oder zwei alte Dienstboten im Hause sind, die sich mit Recht in ihren Gefühlen verletzt finden würden, falls ihre Person oder ihre Habe einer Durchsuchung unterworfen werden sollte, die sich nicht auf jedermann im Hause gleichermaßen erstreckt. Du wirst dich also mit deinen Schlüsseln bereit halten und dem Beamten seine Aufgabe möglichst erleichtern, indem du den Dienstboten mit gutem Beispiel vorangehst. Verstanden?
Gewiß.
Die Antwort klang ebenso gleichgültig, wie die Frage, welche in einem Tone gutmütiger Oberflächlichkeit erfolgt war, darauf berechnet, jedes andere Ohr außer dem eines Detektivs irrezuführen. Herr Lawrence Sutton – ich erfuhr seinen Namen später – schien in der Tat aus einem Traum zu erwachen und wandte sich in demselben Augenblick, wo sein Stiefvater sich entfernte, um und begab sich die Treppe hinauf, als wäre ich gar nicht vorhanden.
Sein Verhalten war so unerwartet, daß ich unschlüssig zögerte. Er war derjenige, auf den Herr Winchester Verdacht hatte, das sagte mir mein Gefühl mit aller Bestimmtheit, und da ging er, allem Vermuten nach, geradeswegs nach dem Ort hin, wo die Wertsachen steckten, deren Auffindung mir eine Summe einbringen würde, die ich in jenen Tagen meiner Armut mit Freuden als ein kleines Vermögen begrüßt hätte. Sollte ich ihm nachgehen oder sollte ich mich auf Herrn Winchesters Voraussetzung verlassen und darauf warten, bis er wieder herunterkäme? Die Ueberzeugung, daß ich nur meine eigenen Zwecke beeinträchtigen würde, falls ich ihn zu frühe überraschte, bestimmte mich schließlich, unten zu bleiben. So zog ich mich denn nach dem Empfangszimmer zurück und wartete dort mit unbeschreiblicherUngeduld auf das Zeichen, das mir zu erkennen geben würde, daß mein Amtsgenosse auf dem Schauplatz erschienen sei, und sodann weiter auf Herrn Suttons Schritte die Treppe herab. Allein bevor eines dieser Geräusche an mein Ohr schlug, vernahm es ein anderes, das meine höchste Neugier erweckte. Es war dies ein Geflüster oben auf dem Gang, gefolgt von einem kurzen, scharfen Ausdruck der Freude, der meinem bestimmten Gefühl nach von dem jungen Mann herrührte. Dann folgte völlige Stille, wahrend der das Zeichen von der Straße her ertönte, darauf oben ein Trappeln wie von eiligen Schritten, worauf ich wieder nichts mehr wahrnahm, bis – jawohl, der sehnlich erwartete Laut eines Herunterkommenden meine ganze Spannkraft weckte, und ich durch den Spalt der Tür, in deren Nähe ich stand, Herrn Sutton im Ueberzieher herabkommen sah.
Herr Sutton war eine vornehme Erscheinung, und seine Züge, wenn auch die unverkennbaren Spuren lockeren Lebens tragend, hatten doch noch einen Ausdruck, der nicht ohne einigen Reiz war. Ich wartete mit Spannung, ob sich Herr Sutton durch die Haustüre entfernen werde. Aber er war offenbar ein sehr artiger Mann, und ehe ich mich dessen versah, befand er sich an meiner Seite, indemer sich mit äußerster Höflichkeit verbeugte und mir einen Bund hinhielt, an dem mehrere Schlüssel hingen.
Herr Winchester hat mich ersucht, Ihnen diese Schlüssel zu übergeben. Mit ihrer Hilfe werden Sie imstande sein, alle Behältnisse und Schubladen zu öffnen, die mir gehören. Was die anderen betrifft, so müssen Sie selbst sehen, wie Sie sich den Eintritt und eine Durchsuchung ermöglichen. Ich habe eine wichtige Verabredung außer dem Hause, die mich vielleicht eine Stunde in Anspruch nehmen wird. Nach meiner Rückkunft will ich Ihnen behilflich sein, so gut ich kann; denn es liegt mir natürlich soviel daran als irgend jemand, daß ein so wertvoller Schatz, wie die Diamanten meiner Mutter, der Familie nicht verloren geht.
Ich verbeugte mich, und er zog sich zurück, wobei er ein neues Paar Handschuhe herausholte und zu meiner unbegrenzten Verwunderung sich noch etwas aufhielt, um sie mit großer Pünktlichkeit und Sorgfalt anzuziehen. Dann ging er auf die Türe zu; aber auch dabei zögerte er, um noch einmal einen Blick die Treppe heraufzuwerfen, ehe er
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