Zwischen Tod und Ewigkeit
Lebensrhythmus mit Wachen und Schlafen. Was werden Sie jetzt tun?«
»Auch ruhen. Vielleicht sehe ich mich auch noch ein wenig in den Werkstätten um.«
»Gut, dann bis später. Wir treffen uns hier wieder.«
Mark blieb noch eine Weile sitzen, dann erhob auch er sich und kehrte in die große Halle zurück, die sie »Schlafsaal« nannten. Sein Weg führte ihn automatisch zu dem Fenster mit der Nummer 276.
Während er das Mädchengesicht betrachtete, überlegte er zum hundertsten Mal, wer seine und Dr. Geralds Weckautomatik in Gang gesetzt haben mochte. Sie hatten die einzelnen Fächer untersucht und abgezählt. Außer den gewaltsam geöffneten Eiskammern gab es keine, die leer gewesen wäre. Nur ihre beiden.
Wer oder was also hatte sie aufgeweckt?
Da er die Antwort nicht wußte, ging er in den Korridor mit den Werkstätten.
Er streifte durch die einzelnen Räume und fand praktisch alles, was eine fortgeschrittene Technologie zu ihrem Weiterbestand benötigte. Aber nicht nur das. Es gab ein Lager mit einfachen landwirtschaftlichen Geräten wie Hacken, Spaten, Schaufeln und sogar Pflügen. In einem Nebenraum war konserviertes Saatgut gestapelt. In Metall graviert stand ein Hinweis auf der Tür: Erst nach völliger Entgiftung der Atmosphäre zu verwenden!
Mark wußte, daß er den ersten Hinweis erhalten hatte, wenn er auch die eigentliche Natur der Katastrophe noch nicht ahnen konnte.
Vergiftung der Atmosphäre und damit der gesamten Oberfläche der Erde?
Hatte das nicht schon in den Siebzigern des Zwanzigsten Jahrhunderts begonnen? Er entsann sich, daß niemand das Problem hatte lösen können, als er sich entschloß, das Kälteexperiment zu wagen. Kommerzielle Interessen waren stärker gewesen, selbst stärker als Gesetze.
Umweltverschmutzung war der damals übliche und verharmlosende Ausdruck dafür gewesen. Es hätte »Sabotage an der Natur« und »Mord an der Welt« heißen müssen, um auch Gleichgültige aufzurütteln.
Sie hatten es also doch geschafft! Sie hatten sich selbst umgebracht, ohne Kriege und Atomwaffen, nur mit ihrem eigenen Dreck, mit dem Abfall ihrer Superzivilisation. War es wirklich so gewesen?
Es mußte weitere Hinweise geben, und Mark war fest entschlossen, sie zu finden. Nur wenn man die Ursachen des Untergangs kannte, war es möglich, erfolgreich mit dem Aufbau zu beginnen.
Er schloß die Tür und ging wieder auf den Gang.
Er betrat den letzten Raum.
Sein erster Gedanke war: warum hat dir Gerald nichts davon gesagt? Oder war er noch nicht bis hierher gekommen? Es kam ihm überhaupt so vor, als habe der Physiker noch immer Geheimnisse vor ihm, aber warum?
Diese dumme Affäre vor vierhundert Jahren – oder noch mehr – konnte nicht der Grund für die Zurückhaltung Geralds sein, wenn es überhaupt eine solche Zurückhaltung gab und sie nicht nur pure Einbildung war. Vielleicht machte er sich unnötige Sorgen und war einfach zu mißtrauisch.
Aber dieser Raum ...
Er mußte herausfinden, ob Gerald ihn kannte.
Die Wände bestanden aus Regalen voller Bücher, aber es waren keine gewöhnlichen Bücher, wie Mark sogleich feststellen konnte. Die schweren Einbände bestanden aus einem dauerhaften Plastikstoff, die einzelnen Blätter aus einem dünneren, der keinerlei Verfärbung oder Alterserscheinungen aufwies. Ein Blick über die Titel belehrte Mark, daß es sich um Werke der Weltliteratur und wissenschaftliche Abhandlungen handelte – das kulturelle und zivilisatorische Erbe der verschwundenen Menschheit.
In der einen Wand eingelassen war ein Fach, durch eine Metalltür verschlossen. Wieder ein schmales Loch für den Schlüssel, den man selbst anfertigen mußte.
Mark ahnte, daß in dem Tresor die Antwort auf viele seiner Fragen lag. Aber es gab ein anderes Problem: Sollte er Gerald von seinem Fund berichten oder nicht?
Er beschloß, alle Heimlichkeiten aus dem Spiel zu lassen und mit offenen Karten zu spielen.
3.
»Eine fundamentale Entdeckung!« rief Dr. Gerald aus, als sich der Tresor mit dem selbstangefertigten Schlüssel öffnete. Sie hatten diesmal fast drei Stunden gebraucht, ehe er paßte. Das Schloß war komplizierter als jenes, das den Energieraum absicherte. »Die Geschichte bis zum Tage Null!«
Der Inhalt des höchstens einen Kubikmeter großen Tresors bestand aus Aktenstücken, Zeitungsbündeln, Büchern, einigen Filmrollen und einem Projektor. Daneben stand ein Tonbandgerät mit voller Spule. Gleich vorn war wieder eine der bekannten Metallplatten mit
Weitere Kostenlose Bücher