Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
schließlich erkennt er, dass sie doch sie selbst ist. Und dass ihre Freundschaft das einzig Wahre ist und die Anziehungskraft oberflächlicher Natur war.
Alle in der Bar springen auf und ab und machen Headbangen und schwenken die Hände durch die Luft wie Verrückte. Oder vielmehr wie Leute, die total mit dem Beat und den Lyrics mitgehen. Nathan alias Nate tobt oben auf der Bühne herum wie die Menschenmenge unten und ist voll drin in dem Song.
»Komm, wir tanzen«, ruft Avi mir zu, um die Boxen ganz in der Nähe unseres Tischs zu übertönen.
Ich? Hüpfen und Headbangen? Ja, das mache ich vielleicht in meinem Zimmer, wenn mich keiner sieht, aber hier sind auch eine Menge Leute aus der Schule da, und vor Publikum rumflippen ist nicht so meins. »Geh ruhig«, sage ich und stehe auf, damit Avi sich unter die Tanzenden mischen kann. »Ich steh nicht so drauf, vor anderen ins Schwitzen zu kommen.« Mir wäre es lieber, wenn er bei mir bliebe, aber ich will nicht so eine Freundin sein, die ihrem Freund vorschreibt, was er zu tun und zu lassen hat. Wenn es ihm nichts ausmacht, angegafft zu werden, bitte …
Avi steht auf und zieht mich mit sich mitten auf die Tanzfläche, die sich in ein Schlachtfeld aus tanzenden, zuckenden, schwitzenden Leibern verwandelt hat, die sich ganz der Musik hingeben. Nathan ist jetzt bei der zweiten Nummer. Sie handelt von schlechten Zeiten und noch schlechteren, die vor einem liegen. Sehr deprimierend, wenn ich das so sagen darf … und dabei bin ich sowieso schon Pessimist.
Avi beginnt zu tanzen. Die Musik ist so laut, dass ich das Gefühl habe, mein Hirn vibriert. Wir werden alle einen Hirnschaden davontragen und morgen taub aufwachen. Ich muss ständig Avi anschauen, wie männlich und cool er aussieht, während er die Faust durch die Luft wedelt und sich zu den stampfenden Bässen bewegt.
»Komm«, sagt er. »Tanz mit mir. Geh aus dir raus!«
Ich, aus mir rausgehen? Nicht meine Art. Außerdem, wenn ich springe, dann hoppeln meine Brüste auf und ab wie eine Boje mitten im Tsunami. Ich schüttle den Kopf. Ich will nicht unangenehm auffallen.
Obwohl – wenn ich mir die Leute um mich herum so anschaue, dann falle ich eigentlich eher dadurch unangenehm auf, dass ich als Einzige unbeweglich mitten in der Menge rumstehe. Sogar Miranda hopst mit und fuchtelt mit den Händen durch die Luft, als wolle sie jeden Moment abheben. Und sie hat auch große und schwere Brüste.
Ich wippe versuchsweise in den Knien auf und ab. Avi anzusehen, dessen Haare schweißnass sind, inspiriert mich. Ich mache einen zaghaften Hopser, zum Test, wie stoßrestistent meine Brüste in meinem neuem BH wirklich sind, denn sie sind kräftig darin festgeschnallt. Ich sehe nach unten und wage einen zweiten Testsprung. Die Hoppelhöhe ist akzeptabel. Doch als ich wieder aufblicke und merke, dass Avi mich mit gerunzelter Stirn mustert, beiße ich mir auf die Unterlippe.
»Alle werden mich anstarren …«, erkläre ich und versuche, die laute Musik zu überschreien.
Avi schüttelt frustriert den Kopf. »Lass dich fallen, Amy. Ich will dich mal ungehemmt sehen. Wenn jemand guckt, dann ist er nur neidisch, dass er nicht so viel Spaß hat wie wir.«
Ich sehe hinunter auf meine Brüste.
Er hebt die Augenbrauen. »Versuch’s doch mal«, sagt er. »Oder hast du Schiss?«
Ich nehme solche Herausforderungen nicht auf die leichte Schulter und das weiß er genau. Mit einem tiefen Atemzug und einer Entschlossenheit, über die ich mich selbst wundere, beginne ich, zur Musik herumzuhopsen und meinen Kopf so wild zu schütteln wie Köter nach einem Bad im Michigansee. Erstaunlicherweise fühlt es sich total gut an, sich gehen zu lassen.
Auf der Tanzfläche wird das Gedränge immer schlimmer und ich werde von der Masse der Tanzwütigen mal hierhin, mal dorthin geschoben und gezogen. Als ich zur Bühne hinaufschaue, ist Nathan bei seinem dritten Song … oder vielleicht auch schon beim vierten. Die gebrüllten Worte gehen mir durch Mark und Bein:
Fight the fight worth fighting
Fight it to the death
Fight the fight worth fighting
And give up all the rest
Als mir ihre Bedeutung ins Bewusstsein dringt, frage ich mich, wie viele Kämpfe ich schon ausgefochten habe, die es nicht wert waren, gekämpft zu werden. Nathan ist voll drin in seiner Performance. Sein Gesichtsausdruck ist wütend, als er den Songtext ins Mikrofon schreit. Er ist noch immer auf der Suche. Er muss herausfinden, wo er hingehört und warum seine Eltern ihn
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