Zwischen uns die halbe Welt: Sommerflirt 2 (German Edition)
Rosinen.
»Amy, du hast gesagt, er wäre Israeli.«
»Nein, ich habe gesagt, dass er Avis Freund aus Israel ist. Und sosehr du dich in ihn verliebt hast, so sehr wären deine Eltern schockiert. Vor allem dein Dad. Ist er nicht Vorsitzender des Männervereins der Synagoge? Ich finde Tarik ja auch echt gut, Jess. Aber deine Eltern wünschen sich einen netten jüdischen Jungen für dich, und ich bin sicher, seine Eltern wünschen sich ein nettes muslimisches Mädchen für ihn.«
Ich hätte es anders formulieren sollen. Ein Blick auf Jessica sagt mir, dass sie aus allen Wolken fällt. Innerhalb von Sekunden wird aus ihrer Euphorie erst Verwirrung, dann Sorge und schließlich Trotz. Wenn mich meine beste Freundin so ansieht, wird mir mulmig.
»Er hat mich gefragt, ob ich am nächsten Samstag mit ihm ausgehe«, sagt sie sachlich.
Oh Mann. »Und?«
»Ich hab natürlich zugesagt. Mist«, murmelt sie. Tränen steigen ihr in die Augen. Sie dreht sich um und rennt zur Toilette. Jetzt kann ich ihr entweder wie eine gute Freundin hinterhergehen oder mich wieder meinem Freund widmen, der vermutlich schon denkt, ich hätte ihn vergessen.
Ich spähe um die Ecke, um zu checken, was Avi so macht. Er sitzt nicht mehr am Tisch, sondern unterhält sich mit ein paar Leuten an der Bar.
Ich beschließe, eine gute Freundin zu sein, und hoffe, dass Avi sich noch fünf Minuten lang alleine amüsieren kann.
In der Toilette haben sich bereits ein paar andere Mädchen aus der Schule um Jess geschart und fragen, was los ist. Erst hat Mitch so mies mit ihr Schluss gemacht, und jetzt entpuppt sich der Junge ihrer Träume als jemand, mit dem eine Beziehung so gut wie unmöglich ist. Jessica geht zweimal die Woche in die Hebräischschule, besucht die Sonntagsschule, und im Sommer fährt sie mit dem Bus den ganzen Weg bis nach Wisconsin, um vier Wochen in einem jüdischen Übernachtungscamp zu verbringen. Unnötig zu sagen, dass schon immer, quasi von Geburt an, klar war, dass sie einen Juden heiraten muss. Ihre Kinder müssen jüdisch werden, und sie ist verantwortlich dafür, die jüdische Tradition und Religion weiterzuführen.
Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Es muss irgendein Hintertürchen geben, irgendeine Möglichkeit, wie Tarik und Jess doch zusammenkommen können, ohne dass ihre Großmutter Pearl deswegen von heute auf morgen ein Fall fürs Pflegeheim wird.
Mit einer Handbewegung gibt Jessica den anderen zu verstehen, dass sie uns allein lassen sollen. »Mir geht’s gut. Wirklich«, sagt sie. So richtig überzeugend klingt das nicht. Vor allem, weil ihr die Wimperntusche übers ganze Gesicht läuft wie Ascheschlieren, denen die Tränen den Weg weisen.
Ich dränge mich an den anderen vorbei. Dann hebe ich mit den Fingern ihr Kinn an und sage ganz ruhig: »Jess, hör auf zu weinen. Ich bin sicher, wenn du deinen Eltern alles in Ruhe erklärst, dann ist es gar nicht so ein Problem. Du wirst sehen.«
Sie nimmt mich ein Stück beiseite, sodass uns niemand hören kann. »Nein, das werde ich nicht tun«, sagt sie. »Die Familie meiner Mutter ist dem Holocaust zum Opfer gefallen, Amy. Meinem Urgroßvater haben sie im Konzentrationslager eine Nummer auf dem Arm tätowiert … Eine Erinnerung, die man nicht einfach mit Seife und Wasser wegbekommt. Wenn ich in seiner Gegenwart auch nur den Namen eines Jungen erwähne, der kein Jude ist, fühle ich mich schuldig.«
Ich glaube trotzdem, dass Gott sich um Jessica kümmern und auf sie aufpassen wird. Ich bin voller Vertrauen. Und dann kann man ja immer noch ein Schuldopfer bringen, indem man ein Tier verbrennt …
Jess trocknet ihre Tränen und versucht, sich zusammenzureißen. Sie schnappt sich Papiertücher und sieht in den Spiegel, um festzustellen, dass ihr Gesicht eine einzige gestreifte Katastrophe ist. »Sieh mich nur mal an, Amy«, sagt sie. »So kann ich doch nicht da rausgehen.«
»Du musst. Nathan zählt auf uns.«
Wieder laufen ihr Tränen über die Wangen und sie dreht sich zu mir. »Tarik hat gesagt, es wäre ihm eine Ehre, mit mir zum Valentinstanz zu gehen, Amy. Eine Ehre. Als ich damit rausgerückt bin, dass ich keine Verab-redung habe, hat er mich gefragt. Gleich an Ort und Stelle, im Auto vor meinem Haus. Und wir hatten einen Moment . Ich weiß, es klingt verrückt und dumm, aber es war so.«
Einen Moment? Will sie mich verarschen? Einen Moment der Leidenschaft vielleicht, aber doch nicht Liebe.
Oh Mann. Ich weiß, wie gern sie zum Valentinstanz gehen will. Es
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