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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Straeter
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Freude.
    Ilse weicht plötzlich auf die Gegenfahrbahn aus. Der Verkehr ist zwar mäßig, aber trotzdem...
    Es ist unverkennbar. Die nächste Schlaglochstrecke erwartet uns, und zwar links. Ilse dreht sich gar nicht erst um, deutet nur mit der Hand und fährt dann in Schlangenlinien wieder auf der linken Seite. Keep left! Die rechte Seite ist nicht nur besser, sie ist völlig sauber asphaltiert, glatt, als könne man von ihr essen. Unsere Fahrbahn scheint die geflickteste der ganzen Republik zu sein.
    Und dann fällt mir de Selby ein, der Professor aus Flann O’ Brien’s’Der dritte Polizist’. De Selby hat akribisch nachgewiesen, daß Straßen eine bestimmte Richtung haben. Sie führen jeweils von einem Ort zum anderen, aber nicht zurück, und das ist ihre je spezifische Richtung. Und in dieser ihrer Richtung haben die Straßen ihre besonders für Radfahrer angenehmen Gefälle. Beispiel: die Liverpool Road in London führt nach Liverpool. Eindeutig, und nicht von Liverpool nach London. Und in Richtung Liverpool, von London aus gefahren, hat diese Straße ihr Gefälle.
    »De Selby !« rufe ich Ilse zu.
    »Was?« Sie hat nicht verstanden. Die schlechte Wegstrecke ist inzwischen vorbei, ich hole auf.
    »De Selby ,« sage ich, »Professor de Selby hat’s bewiesen, das mit dem Gefälle. Vielleicht ist es mit den Schlaglöchern ebenso .«
    Ilse hat das Buch noch nicht gelesen. Ich erkläre ihr die mit deduktiver Schlüssigkeit anhand empirischer Beobachtungen erhärteten Feststellungen de Selby’s. Die entsprechenden Fußnoten bei O’Brien sind manchmal länger als der eigentliche Text. Das läßt sich wohl bei streng wissenschaftlichen Methoden nicht immer vermeiden.

    Wir passieren gerade ein Hinweisschild: Lahinch vier Meilen.
    »Wir sind auf der falschen Straße !« stelle ich fest. Ilse blickt zweifelnd.
    »Doch, denk’ an die Schlaglöcher .«
    Wir beschließen, das Problem im nächsten Pub bei einem Bier zu erörtern. Nachdem die beiden gelbschaumigen Pints vor uns stehen, breiten wir unsere Straßenkarte aus. Ich erläutere ausführlicher de Selby’s Feststellungen. Ilse meint nachdenklich, daß möglicherweise die Theorie der Straßengefälle — die wir nur bestätigen können, es gibt Steigungen genug, nicht nur in Irland, auch in anderen Ländern — auf die Schlaglöcher übertragbar sei.
    »Richtung und Gefälle, Straßenseite und Schlaglöcher«, murmelt sie, wischt sich etwas Schaum aus den Mundwinkeln. Sie deutet auf die Straßenkarte:
    »Die Karten sind alle falsch, oder müssen ergänzt werden .«
    »Richtig«, bestätige ich, »noch drei Meilen bis Lahinch .«
    »Auf der falschen Straße!«
    »Auf der falschen Straße.«
    »Yes, Sir, also los und weiter.«
    Bezahlt hatten wir schon, wir erheben uns ungern, verlassen den gastlichen Ort und steigen wieder auf die Räder.
    »Der O’Brien«, sage ich beim Losfahren, »der O’Brien, der Große Federkiel hab’ ihn selig, der müßte eigentlich eine Fortsetzung von ‘Der dritte Polizist’ schreiben. Vielleicht ‘Das dritte Fahrrad und die Schlaglöcher’ oder so.«
    »Nicht der O’Brien in seinem Autorenhimmel«, ruft Ilse mir nach und klingelt vergnügt.
    »Nicht der O’Brien, Du!«
    Bis Lahinch fahre ich schweigend. * )

    Wir sitzen bei ‘O’Looney’s’ (Surf, Seefood, Stout) in Lahinch, dem berühmten Badeort. Ein Sturm hat uns hineingetrieben. Der Sturm, der uns entgegenkam. Vorgestern gab es bereits eine Gale Warning for Shipping für Mizenhead und die Südküste. Windstärke 8 — 10. Der Wind ist da, der Regen auch.
    Das Zelt steht auf dem Campingplatz hinter einem Hügel, der ein wenig Schutz bietet. Wir lassen es wegen der Böen nur ungern unbeaufsichtigt. Der Zeltboden läßt jetzt überall Feuchtigkeit durch. Ich muß doch einmal Reinhold Messner fragen, welches Fabrikat er bevorzugt. Der Kilometerzähler hat Wasser geschluckt, die Sichtscheibe ist völlig beschlagen. Ansonsten haben wir mit den Rädern keine Probleme. Nur ich bekomme Probleme mit Ilse, wenn ich die Ketten mit dem Inhalt unserer kleinen Sonnenblumenölflasche behandeln will...
    Wir sitzen bei ‘O’Looney’s’. Ilses Blicke wandern durch die größtenteils beschlagenen Fensterscheiben nach draußen, auf den Atlantik hinaus. Wahrhaftig, zwei Surfer sind auf dem Wasser. Kaum haben wir uns mit einem Schluck Smith wick’s zugeprostet (boycottieren wir Guinness? Nein, das gelingt kaum, Smithwick’s kommt auch von Guinness), beginnt sie mit einer ihrer

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