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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Straeter
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Ich zapfe Wasser am Dorfbrunnen, wir kaufen etwas ein und suchen
uns einen Standplatz auf der anderen Seite des Hafens. Vorbei an Monk’s Bar,
mit Blick auf das Meer, geschützt hinter Hecken. Monk’s Bar scheint der kulturelle
Mittelpunkt des Ortes zu sein. Dort kann man nicht nur Muscheln und anderes
Seafood kaufen und essen, sondern auch Boote und Fahrräder ausleihen und
Auskünfte aller Art bekommen.
    Wir essen
ein Stew mit Hühnerfleisch vorm Zelt. With real chunks of prima chicken, mit
echten Teilen von Superhühnern, so steht’s auf der Dose.
    Ilse
zeichnet ein Cottage und skizziert einige Szenen am Hafen. Sie hat auch einen
Block mit grauem Ingres-Papier von zu Hause mitgenommen. Warum nur grau?
    »Weil in
Irland alles grau ist, da kann ich Farbe sparen !«
    »Nein, in
Irland ist doch alles grün, selbst die Kuhfladen .«
    Nein grau,
nein grün, nein grau... Das Spiel haben wir als Kinder gespielt, wenn wir nicht
einschlafen konnten. Mit ja, nein, ja, nein, bis einer endlich nachgab oder
einschlief.
    Heute stoppt
uns der Nachtisch, wir tunken Bananen in Honig. Oder heißt es Banane an Honig?
Im Zelt wohl eher Honig an Hose oder sonstwo, wohin er nicht gehört.
    Der
Kilometerstand beträgt vierhundertdreiundfünfzig, nicht gewaltig, oder zählen bei Regen die Kilometer doppelt?
     
    Der andere
Morgen ist grau, Wolkenberge drohen in der Ferne. Wir bleiben im Zelt, dort
wird das Kaffeewasser schneller heiß. Gestern abend habe ich mir einen Finger verbrannt, genau den, dessen Vereiterung gerade dank
der Wunder wirkenden Vaselinesalbe verheilt war.
    Krähen und
Elstern treiben sich in unserer Nähe herum, eine Amsel schlägt so laut, daß die
Ohren klingen. Der Blick über das Meer verliert sich im grauen Dunst. Dahinten
liegt Galway, noch vierzig Kilometer. Und dann Connemara... Nach Galway wollen
wir, wo das Geburtshaus von Nora Barnacle steht, der Lebensgefährtin James
Joyce’s, und das Haus des Richters Lynch, der — im ausgehenden Mittelalter —
aus übergroßem Rechtsempfinden wegen eines Totschlages seinen eigenen Sohn zum
Tode verurteilte. Der ihn selbst hängen mußte, weil der Henker geflohen war,
die Bevölkerung um Milde bat. Der, als großer Mann seiner Stadt, als
Modernisieren der rege Handelsbeziehungen mit Spanien
aufgebaut hatte, an diesem Drama zerbrach. Und uns das Wort ‘lynchen’
hinterlassen hat.
    Wir
überprüfen unsere Wegstrecke auf der Landkarte, unsere Ziele, den geplanten
längeren Aufenthalt in Dingle, die Hafenstadt Cork als irischen Endpunkt dieser
Reise, prüfen den Kalender und entschließen uns, daß weniger mehr sein soll.
Also nicht nach Galway, und nicht nach Connemara...
    Start. Wir
schleppen unsere Abfalltüte mit ins Dorf auf der Suche nach einem Litter Bag,
auf gälisch Bruscar. Es ist kein Abfalleimer zu
finden. Wo kein Bag, auch kein Litter? Ich mogele unseren Abfall in den
Papierkorb des kleinen Supermarktes.
    Auf zum
Black Head! Dort gibt es einen Leuchtturm. Die Leuchtturmmalerin will endlich
einen Leuchtturm malen. Nach knapp zehn Kilometern, im Windschatten der
Burrenberge, haben wir ihn erreicht: genau auf dem Scheitelpunkt unseres Weges
zur Westküste. Kaum sind wir um die Ecke, bläst uns ein heftiger Wind entgegen.
Wir verstecken uns hinter einem der üblichen, niedrigen Mäuerchen. Als Ilse den
Block herausholt, beginnt es zu regnen. Bei Regenwetter funktioniert das Malen
mit Wasserfarben nicht.
    Wir warten.
    In einer
Regenpause entsteht ein schnelles Bild vom Light House at Black Head Point,
Burren, County Clare. Der weiße, eckige Turm ist nicht allzu hoch, steht am Fuß
des Abhangs, der sich von der Straße zum Meer zieht. Auf dem gedrungenen
Baukörper thront hinter einem niedrigen Geländer die in drei Richtungen
verglaste Lichtkuppel. Ein schmaler Plattenweg führt durch die Burrensteine zum
Turm. Ein kleines Fenster zur Landseite und eine Tür nach Süden sind die
einzigen Öffnungen.
    Natürlich
ist die Anlage vollautomatisiert, es gibt kaum noch bemannte Leuchtfeuer in
Europa.
    Auf der
anderen Straßenseite geht es die Burrenberge hinauf, die bunten Tupfer der
Rucksackwanderer beleben das scheinbare Grau, das hauptsächlich durch das Gelb
niedriger Pflanzen unterbrochen wird. Hier beginnt — oder endet — der Burren
Way, ein beschilderter Pfad quer durch die Burren, die Wanderzeit beträgt
ungefähr fünf Stunden. Ob die bunten Tupfer ihn wohl alle schaffen werden? Bis
auf den Wind ist es ruhig hier, der Leuchtturm steht auf Fels, sicher an

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