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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Straeter
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»The
West’s awake — der Westen ist aufgewacht !« trat Mary
Robinson 1991 ihr Amt an. Sie stammt aus Ballina im County Mayo, das sie als
»eine der westlichst gelegenen Städte in der westlichsten Grafschaft im
westlichsten Staat Europas« bezeichnete.
     
    Begeistert
von ihrer Präsidentin war auch Ina Ryan, Inhaberin von ‘Ryan’s Inn’, der
Gaststätte, die Ilse samt Brücke in O’Brians Bridge gemalt hatte.
    Da wir
tagsüber viel Leben vor der Kneipe beobachtet hatten, vermuteten wir drinnen
das heimliche Kulturzentrum des Ortes. Dort würden wir sie sicher alle treffen,
die Iren und Irinnen...
    Hinter der
Theke stand niemand, eine ältere Dame saß in der Gaststube und sah sich die
Fernsehnachrichten an. Sie entpuppte sich als die redefreundliche Wirtin, erhob
sich vom Gasthocker und begab sich hinter ihren Tresen.
    »Please ?«
    »Yes, two Pints of Guinness, please .«
    Wir hatten
die Auswahl zwischen drei Möglichkeiten. Sie erläuterte uns, daß zwei der
Zapfhähne Guinness Stout mit verschiedenen Temperaturen böten, sie könne aber
auch mischen. Wir nahmen gemischte.

    Sie zapfte
mit Bedacht, beobachtete uns. Wir saßen ihr gegenüber auf den Barhockern vor
der Theke, warteten auf unser Bier, um uns dann einen Tisch auszusuchen. Gleich
mußten ja die Iren kommen, vorher wollten wir uns einen Eckplatz sichern. Die
Stouts waren fertig. Sie stellte uns die bauchigen Pints (0,5681) auf Deckel,
die immer klebten, wenn wir die Gläser anhoben, weil etwas Schaum übergeflossen
war. Normalerweise bezahlte man jetzt.
    »Yes,
welcome, I’m Ina Ryan!«
    Sie gab uns
die Hand, setzte sich. Wir blieben für die nächsten Stunden vor der Bar hocken.
Wir bezahlten später, viel später.
    Yes, sie war
die letzte ihrer Sippe, die seit einhundertfünfzig Jahren dieses Haus besaß,
direkt an der Brücke, die von einem Ingenieur namens O’Brian vor langer Zeit
gebaut wurde. O’Brian hatte noch mehr Brücken im Land gebaut, aber diese hier
gab dem Ort seinen Namen.
    Ina Ryan’s
Urgroßvater, der Großvater, dann der Vater betrieben hier schon die
Gastwirtschaft.
    Ja, sie war
Ryan’s Tochter.
    Wir mußten
lachen, als sie auf den berühmten Filmtitel ‘Ryan’s Daughter’ anspielte. Der
Film ist an einer Bucht am Slea Head auf der Halbinsel Dingle gedreht worden.
    Natürlich
war sie Ryan’s Daughter, sie und keine andere, dazu brauchte man keinen Roman
und keinen Film. Und Ryan’s Daughter erzählte. Erzählte von früher, als alles
noch anders war, ohne Strom und mit Petroleumlampen. Doch dann gewann ja
Siemens-Schuckert die Ausschreibung, noch einmal hörten wir die Geschichte, und
baute (in nur fünf Jahren! yes, really) den Seitenkanal am Shannon mit
Schleusen und Wehr und Wasserkraftanlagen. So gab es Strom für Limerick und
nebenbei auch für O’Brians Bridge, das nun wie eine Insel zwischen Kanal und
Fluß liegt. Die Wasserhöhe ist seitdem steuerbar, es gibt keine
Überschwemmungen mehr.
    Allmählich
wuchs die Zahl der Häuser im Dorf.
    Ihr Mann war
vor einigen Jahren gestorben, ihre erwachsenen Kinder lebten in Dublin und
wollten um keinen Preis zurück ins Pub.
    Während sie
erzählte, sie bemühte sich, langsam und deutlich zu sprechen, blickten wir uns
verstohlen in der Kneipe um. Decke und Wände waren alt, das sah man, vergilbt,
durchgebogen, uneben. An der Wand hinter der Theke hingen Postkarten, hunderte
von Postkarten aus aller Welt.
    Irgendwo an
der Wand, zu hoch, hing ein Ölbild von der Kneipe. Außenansicht. Gemalt von
einem Gast, wie sie uns berichtete.
    Mehrmals im
Laufe des Abends löste sich plötzlich eine der Postkarten von der Wand und
segelte langsam zu Boden. Und Ina Ryan erzählte von früher, während die
Postkarten, ihre Verbindung zur Welt, herunterfielen, unbeachtet liegen
blieben...
    »Yes, times
are changing«, nahm sie den Faden wieder auf. Längst fand sie nicht mehr alles
gut. Oh, dachte ich, das übliche Lamentieren älterer Leute, die die schlechten
Zeiten von früher ins nostalgisch Gute verklären.
    Doch hörte
ich auch andere Töne. Vieles sei heute besser, die Präsidentin zum Beispiel.
Auch die Ausbildung der Jugendlichen. Die Kinder ärmerer Leute könnten
studieren. Nur die Kriminalitätsrate, die sei leider gestiegen. Das stimmte.
Während es im Jahr unseres ersten Irlandbesuches 1977 kaum nennenswerte Zahlen
an Delikten gegeben hatte (ein Mord in Dublin), bemüht sich Irland heute, auch
in diesem Bereich EU-Normen zu erreichen.
    Ja, für die
Jugend würde viel

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