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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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zu verbergen …
    Es war an diesem Oktobertag beinahe dunkel, als die Kirchenuhr sechs schlug. Herr Schmittbold, der Straßenkehrer und Wächter, kehrte noch eifrig an den Pfützen der Straßenränder entlang das welke Laub zu Haufen, zuweilen über seinen Birkenbesen gebückt verschnaufend. Einzelne Lohwinckler hatten schon Feierabend gemacht und saßen auf grüngestrichenen Bänken vor ihren Haustüren, die Hände schwer im Schoß. Der Schneider Krainerz ließ eben mit ostentativem Geräusch seinen Rolladen herunterrasseln. Über allem lag der Lohwinckler Geruch, der immer gleiche Geruch von wassergesprengtem Straßenstaub, von Holzfeuer und von den faulenden Wasserlinsen des Ententümpels hinter der Kirche. Elisabeth ging langsam, weil sie rechnete; sie hatte alle die unangenehmen Zahlen aus ihrem schwarzen Haushaltungsbuch im Kopf mitgenommen, schaute auf ihre Fußspitzen hinunter und grüßte mit ihrem sanften, abwesenden Lächeln fast sämtliche Leute, die ihr begegneten, denn sie kannte fast alle. Nur der Apotheker Behrendt trat in seinen Laden zurück – er verkaufte auch Drogen, Fotoartikel und Thermophore –, als er sie sah, was einer kleinen feindseligen Demonstration gleichkam. Mit Behrendt war man endgültig auseinander. Der Doktor konnte rasen, wenn Behrendt mit privaten Ratschlägen und dem Verkauf von fabrikfertigen Medikamenten seine reformierenden Absichten durchkreuzte. Behrendt seinerseits fand, daß der Doktor ihm mit seinen hirnverbrannten Naturverfahren mutwillig das Geschäft ruiniere. Ein verwickelter, höflicher, aber erbitterter Briefwechsel hatte stattgefunden und zu nichts anderem geführt als zu einer offenen Feindschaft. Behrendt war Vorsitzender der Brüderschaft ›Einigkeit‹, er konnte schaden, und er tat es. Nun trat er also in die Apotheke zurück, um Frau Persenthein nicht grüßen zu müssen. Sie zögerte an der Gabelung der Hauptstraße und der Marktstraße und wog in sich die Frage aus, ob sie sich einfach in die Höhle des gekränkten Löwen begeben und zur Anknüpfung etwas kaufen solle – Kamillentee, ein Haarwaschmittel, eine Tube Vaseline – oder ob sie die Flucht ergreifen dürfe. Schließlich drehte sie um, mit einem Gesicht, als habe sie etwas Wichtiges vergessen, verließ die unfreundliche Hauptstraße und zog sich in die Marktstraße zurück.
    »Was darf's sein?« fragte Herr Markus, als sie ein wenig abgejagt in sein Geschäft eintrat. Er hatte noch zwei Frauen zu bedienen, die eine war die Köchin des Notars, die andere die Putzmacherin Ritting aus der Wassergasse. Herr Markus gab eine halbgefüllte Tüte an den Kommis weiter und schob sich an der Theke entlang zu Elisabeths Bedienung heran. Er war kurzsichtig, was ihm einen ewig fragenden und staunenden Ausdruck verlieh, trug aber im Geschäft keine Brille. Er tat das aus ähnlichen Gründen, wie Elisabeth ihren Hut aufsetzte. Die Hornbrille gehörte nicht ins Geschäft, sondern hinauf zu den Büchern und Zeitschriften in seiner Wohnung. Sie hätte seine Kundschaft mißtrauisch und spottsüchtig gemacht. »Was darf's sein?« fragte er, nahm aber Elisabeths Hand nicht, denn er fühlte sich im Laden immer unsauber.
    »Ein Pfund Reis, bitte.«
    »Ungeschält natürlich.«
    »Natürlich«, sagte Elisabeth und begann zu lächeln.
    »Ich habe jetzt einen Sack davon angeschafft, für Sie allein«, sagte er, das Lächeln erwidernd.
    »Und für unsere Patienten.«
    »Wie? Ja. Natürlich. Aber die Patienten drücken sich ja gern davon.«
    Elisabeth schaute mit angenehmen und beruhigten Empfindungen zu, wie die Körner von der Holzschippe in die Tüte flossen. Es roch so hübsch im Laden von Markus, nach Kindheit und geschenkten sauren Bonbons.
    »Noch etwas?«
    »Danke.«
    »Macht achtunddreißig Pfennige – Ich schreibe es auf die Monatsrechnung«, setzte Herr Markus im nächsten Augenblick hinzu, als er Elisabeths Zögern sah.
    »Ja. Bitte«, sagte sie und brachte den Reis in ihrem Netz unter.
    »Gute Nacht, Frau Doktor«, sagte die Putzmacherin Ritting.
    »Gute Nacht, Fräulein Ritting. Jetzt hat's zu regnen angefangen«, sagte Frau Persenthein. Es war so weit gekommen, daß sie jedem Menschen dankbar war, der dem Doktor nichts nachzutragen hatte. Fräulein Ritting war heil durch eine Brustfellentzündung gekommen – – –
    »Ich möchte Sie noch einen Augenblick sprechen, Herr Markus«, sagte sie, als die Putzmacherin draußen war, wo ein beginnender Regen sanft gegen die bunte Glastür

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