Zwischenspiel: Roman (German Edition)
sittsam geschlossenen Knien, über die sie, wenn sie saß, immer sorgfältig den Rocksaum zog; ihre Augen, mit denen sie Menschen umarmen konnte; und ihre Prophezeiungen, an die ich mich manchmal geklammert hatte, als wären sie einlösbare Versprechen gewesen.
Weißt du noch, wie du mir einmal, als irgendeine meiner Verliebtheiten gerade unglücklich endete, vorausgesagt hast, ich würde eine ganz große Liebe finden, eine, mit der ich überhaupt nicht rechnete. Kannst du dich erinnern?
So, habe ich das gesagt?
Du hast behauptet, das wüsstest du genau, und ich habe es geglaubt.
Olga lachte. Wahrscheinlich warst du sehr traurig.
Ein Jahr später traf ich Hendrik. Du hast auch prophezeit, dass Hendrik großer Erfolg bevorstehe.
Ach, sagte Olga, ach, das habe ich euch eben gewünscht, ich wusste nicht, dass du daran glaubst. Aber vielleicht hat es geholfen.
Sie hielt ihre Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger und sah zu, wie der Rauch senkrecht in die Luft stieg.
Es wird kühl, sagte sie, die Sonne wird bald untergehen.
Tatsächlich war die Sonne inzwischen hinter Bäumen und den Häusern jenseits des Parks versunken, auch das Kindergeschrei war verstummt. Nur aus dem hinteren Teil des Parks drangen immer noch auf- und wieder abschwellende Geräusche, in denen ich abwechselnd Kreischen, drohendes Raunen, auch Trommeln zu hören glaubte. Ich war inzwischen so an die gestörte Funktion meiner Augen gewöhnt, dass ich nicht mehr darauf geachtet hatte, ob ich mit dem Verblassen der Sonne allmählich wieder klarer sah. Ich betrachtete die Innenflächen meiner Hände, konnte die Linien darin aber immer noch nicht deutlich erkennen, was mich zwar beunruhigte, mir aber auch gelegen kam, denn ich hatte immer noch nicht herausgefunden, was ich mit diesem schiefäugigen Ungeheuer zu tun haben könnte und warum es mir in den sonderbarsten, auf gewisse Weise sogar schönsten Tag meines Lebens geraten konnte. Sobald mir die Welt wieder in gewohnter Gestalt erscheinen würde, ließe sich, davon war ich überzeugt, diese Angelegenheit nicht mehr klären.
Ja, sagte ich, bald ist es dunkel, und dann ist dieser Tag vorbei.
Hallo, die Damen, warum so melancholisch?
Bruno tauchte keuchend hinter der Hecke auf, klopfte sich ein paar Laubreste des vergangenen Herbstes vom Jackett und zog sein Phantombier aus der Tasche.
Entschuldigen Sie, dass ich gelauscht habe, aber ich hatte mich hier gerade etwas ausgeruht und war eingenickt, ehe Sie kamen. Gnädigste, Sie wirken verstört. Hat der Unhold, mit dem ich Sie vorhin gesehen habe, Sie verschreckt? Hat er Ihnen auch einreden wollen, Sie seien im Innersten genauso böse wie er? Der Kerl ist ein Trickbetrüger, glauben Sie ihm kein Wort.
Aber er hatte doch recht, ich war fasziniert, sagte ich.
Schlimmer, Sie waren hypnotisiert, starr vor Angst wie dieses berühmte Kaninchen. Auf die Gefahr, Sie zu kränken, Gnädigste, behaupte ich, dass es Ihnen zum wahren Bösen an Phantasie mangelt. Sonst wären Sie eine Künstlerin statt Kunstverwalterin geworden. Künstler sind fasziniert vom Bösen, weil es so interessant ist. Ich vermute sogar, dass es manche Menschen vor allem zur Kunst drängt, weil sie nur da ihre Mordgelüste und Machtphantasien ausleben können, ohne hinter Gittern zu landen. Nicht auszudenken, was der Welt erspart geblieben wäre, hätte Hitler die Aufnahmeprüfung an der Wiener Kunstakademie bestanden, fortan seinen Wahn auf Papier und Leinwand ausgetobt und auf den ganzen Rest verzichtet. Mon Dieu! Ah, sehe ich da ein Zucken um Ihren Mund? Ist Ihnen dieser Allerweltsgedanke schon zu frivol? Dahinter könnte sich ja das Böse verstecken.
Ich hatte nicht mit dem Mund gezuckt und verstand nicht, womit ich Brunos plötzliche Kampfeslust ausgelöst haben könnte. Ich habe nicht gezuckt, wollte ich sagen, fand aber keine Lücke in Brunos furiosem Redeschwall.
Nein, Gnädigste, Ihr Verdacht, in Ihnen harre das Böse seiner Erweckung, ist ein Fall von masochistischer Selbstüberschätzung. Sie bemühen sogar eine kindliche Mordphantasie, um sich interessanter zu machen, als Sie nun einmal sind. Machen Sie sich keine Sorgen, Sie wagen das Böse nicht einmal mehr zu denken, geschweige denn zu tun.
Herr Bruno, unterbrach ihn Olga streng, nachdem sie die ganze Zeit unbewegt zugehört hatte, was regt Sie eigentlich so auf?
Nichts regt mich auf, sagte Bruno und ließ wie zum Beweis erst einmal Bier durch seine Kehle fließen. Nichts als Langeweile, und was ist
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