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Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Titel: Zwischenstation Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Neumann
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komplett verrückt? Hatte ich ihn in flagranti erwischt und die Wirklichkeit war bei weitem weniger harmlos gewesen als das, was ich mir gerade vorgestellt hatte? Sollte es eine Art Schutzmechanismus meines Gehirns gewesen sein? Doch so sehr ich mich auch bemühte, es blieb bei dieser einen Szene und es kamen keine weiteren Bilder hinzu.
    »Wir haben genug von mir geredet, was gibt es bei dir Neues?« Kopfschüttelnd , um die Bilder von meiner Netzhaut zu vertreiben, wechselte ich schnell das Thema. Je weniger ich darüber nachdachte, umso besser war das für mich, ansonsten befürchtete ich wahnsinnig zu werden.
    »Ach , nichts Besonderes. Ich habe nur letzte Woche beim Bäcker einen richtig netten Mann kennengelernt. Ich hatte mir einen Kaffee geholt, und als ich zahlen wollte, hatte ich nur einen Fünfzig-Euro-Schein, den die Kassiererin nicht wechseln konnte, da sie nicht genügend Wechselgeld hatte. Und der Mann hinter mir hat den Kaffee einfach so für mich gezahlt, obwohl er mich gar nicht kannte! Ist das nicht süß?« Ihr Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an, als sie an den Schwarm der Woche dachte. Wenn das Ganze nicht immer von so kurzer Dauer wäre, wäre ich sicherlich längst Feuer und Flamme für ihre Romanze gewesen. Da ich Marie aber schon lange genug kannte, wusste ich, dass es besser war, realistisch zu bleiben, als gemeinsam mit ihr in rosaroten Traumbildern zu schwelgen. So war ich immer diejenige, die ihr geduldig zuhörte, sie – wenn es sein musste – auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte und sie tröstete, wenn sie wieder einmal an den Falschen geraten war.
    »Und wie geht es mit ihm weiter?« Eine der Bedienungen kam an unseren Tisch und brachte unsere Bestellung. Schon beim Anblick des Pilzrisottos lief mir das Wasser im Munde zusammen. Dampfend und duftend stand die Schale vor mir, und schon bevor ich den ersten Bissen zu mir genommen hatte, hatte ich den Eindruck, den geschmolzene n Parmesan, die Pfifferlinge und die Petersilie bereits schmecken zu können. Schnell griff ich nach meinem Besteck und begann zu essen, während ich Maries Schilderungen lauschte.
    »Wir kamen ins Plaudern, haben Telefonnummern ausgetauscht und waren auch schon zusammen aus.« Ich hatte gerade einen Bissen meines Risottos genommen und hielt inne. Was war denn hier los? Wo waren die Namen der ungeborenen Kinder, die Doppelhaushälfte und der Mischling aus dem Tierheim?
    »Und wie war euer Date?«
    »Nett«, lautete die einsilbige Antwort, während sie betont konzentriert ihre Pizza schnitt und ganz langsam und vorsichtig das Stück zum Mund führte. So hatte ich sie noch nie nach einer Verabredung reden hören. Sie war zu nüchtern, zu wenig euphorisch. Hatte sie etwa ihre eigene eiserne Regel gebrochen und war am ersten Abend mit ihm im Bett gewesen und es war so schrecklich gewesen, dass sie die Erinnerung daran am liebsten begraben würde?
    »Marie, was ist los mit ihm?«
    Sie zuckte mit den Schultern, als such te sie nach einer Antwort, bevor sie sagte: »Nichts ist mit ihm los. Er war nett, wir hatten Spaß und vielleicht sehen wir uns wieder. Aber weißt du was? Ich habe keine Lust mehr auf die ganzen Dates. Es nervt mich, dass ich Woche für Woche mit Männern ausgehe, die allesamt Idioten sind und zu nichts taugen. Ich glaube, ich werde Nonne und entsage allen Männern!«
    »Du bist noch nicht mal in der Kirche, da werden sie dich kaum als Nonne aufnehmen. Du willst mir nicht wirklich weismachen, dass du keinen Bock mehr auf Männer hast, oder?« Eher würde die Welt aufhören sich zu drehen.
    »Nein, vermutlich nicht, aber ich frage mich, wann ich endlich den Richtigen kennenlerne. Es kann doch nicht sein, dass es da draußen keinen einzigen Mann gibt, der zu mir passt, und dass sie allesamt nur Vollpfosten sind. Ich will einen Mann, Familie und ein Häuschen im Grünen, ist das denn zu viel verlangt?« Wie ein kleines Häufchen Elend saß sie vor mir, nahm einen Bissen ihrer Pizza und sah mich mit ihren großen, blauen Kulleraugen an. Mir zog sich das Herz zusammen, denn zum ersten Mal gestand sie sich selbst ein, dass ihr dieses Männerkarussell lästig wurde und sie sich nichts lieber wünschte, als endlich sesshaft zu werden.
    »Ach Marie, ich bin mir sicher, dass irgendwo da draußen der Mann ist, der nur auf dich gewartet hat. Und bestimmt lernst du ihn kennen, wenn du gar nicht damit rechnest , und wenn du ihm begegnest, dann wirst du wissen, dass er der Einzige ist«, versuchte ich

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