Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
Aperitif.« Und weg war er, nicht aber Maries fragender Blick. Oh je, da würde ich wohl noch eine Menge zu erklären haben.
»Ein attraktiver Mann? Kollege? Phil Berger vielleicht?«
»Ja, wieso weißt du das?« Ich konnte mich daran erinnern, dass ich ihr ab und an von ihm erzählt hatte und er dabei nicht besonders gut weggekommen war. Warum konnte sie sich an ihn erinnern? Waren die beiden sich etwa begegnet?
»Ach Schätzchen, ich vergesse immer wieder, dass dir gewisse Momente deines Lebens fehlen. Vor ungefähr vier Wochen bin ich spontan abends bei dir vorbeigekommen. Und du warst nicht alleine, sondern hast deinem Kollegen Tanzunterricht gegeben!« Ich und Tanzunterricht? Was war denn da los? Ich hatte bekanntermaßen die zwei linkesten Füße, die es gab, und niemand, wirklich niemand, würde jemals freiwillig mit mir tanzen. Es sei denn, er brauchte eine Krankschreibung wegen gebrochener Fußzehen!
»Du machst Scherze. Ich und Tanzunterricht, wo ich noch nicht mal einen einfachen Wiener Walzer halbwegs unfallfrei hinbekomme!«
»Ich bin mir auch nicht sicher, ob ihr wirklich getanzt habt, die Möbel waren zwar zur Seite geräumt, aber ihr könnt ja sonst etwas getan haben«, beendete sie ihre Erklärung mit einem anzüglichen Grinsen.
»Glaubst du, dass ich was mit ihm habe?«
»Also, wenn er auf meiner Bettkante säße, würde ich ihn gewiss nicht runterstoßen. Ob ihr was miteinander habt, kann ich nicht sagen. Fest steht, dass die Luft ganz schön geladen war, ihr habt euch Blicke zugeworfen, o lala. Ihr habt vielleicht Tango getanzt, aber keinen Walzer, das ist sicher.« Sie fächelte sich Luft zu, als sei ihr heiß. Hatte Phil doch nicht gelogen? Ich hatte gerade meinen Mund geöffnet, um ihr zu antworten, da kam Guido mit unserem Aperitif und stellte die Gläser vor uns auf den Tisch.
»Salute Ragazzas! Wisst ihr schon, was ihr essen wollt?« Erwartungsvoll blickte er uns an. Wir bestellten und schon war er wieder verschwunden.
»Du wolltest etwas zum Thema Phil sagen?«, bohrte Marie nach.
»Er verfolgt mich. Erst war er im Krankenhaus, dann hat er mich am ersten Abend bei meinen Eltern besucht und jetzt kommt es«, hier machte ich eine kleine Pause und nahm einen Schluck meines Aperols, bevor ich weitersprach, »er behauptet, er und ich seien ein Paar! Kannst du dir das vorstellen? Ich kann ihn noch nicht mal richtig leiden. Und selbst, wenn dem so wäre, warum habe ich es dir bisher nicht gesagt? Ich meine, ich erzähle dir alles und so etwas würde ich doch nicht für mich behalten, oder?« Fragend sah ich zu meiner besten Freundin hin, sie runzelte die Stirn, nahm ebenfalls einen Schluck und antwortete mir anschließend:
»Du hättest mir auf alle Fälle von ihm erzählt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, warum er wegen so etwas lügen sollte. Es ist ja nicht so, dass er der Unattraktivste ist und er sich das zurecht lügen müsste. Freiwillige, die das Bett mit ihm teilen wollen, gibt es bestimmt genug. Und wie bereits erwähnt, es hat zwischen euch geknistert, dass ich befürchtet habe, gleich bricht ein Feuer aus. Hast du schon eine Idee, was du wegen ihm tun möchtest?« Ich seufzte tief, genau diese Frage hatte ich befürchtet.
»Ich weiß es nicht. Ich fühle mich so zerrissen. Auf der einen Seite merke ich, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle, aber auf der anderen Seite sperrt sich irgendetwas in mir und will unter keinen Umständen etwas mit ihm zu tun haben. Das Beste wird sein, dass ich abwarte, bis ich wieder in die Schule gehe, vielleicht habe ich bis dahin eine Lösung gefunden.«
»Auch eine Art , seine Probleme zu lösen. Die Frage ist nur, ob er auch so lange warten wird. Schau ihn dir mal an, der muss nur mit dem Finger schnipsen und schon stehen die Frauen Schlange!« Bei diesem Gedanken durchzuckte mich ein merkwürdiges Gefühl. Ich konnte es nicht genau benennen, aber es war extrem unangenehm und tat weh. Und mit diesem Gefühl kam etwas anderes auf: Ich sah Phil, aber es war nicht der Phil, den ich kannte. In dem Bild oder in der Vision trug er ein historisches Kostüm mit Pumphosen und Wams. Er stand mit einer Frau, die ebenfalls in ein historisches Gewand gekleidet war, zusammen. Die beiden wirkten vertraut miteinander, oder warum sonst sollte er ihr einen Handkuss geben? Und das unangenehme Gefühl von eben vertiefte sich noch mehr, verursachte, dass mein Magen sich zusammenkrampfte und mir für einen kurzen Augenblick übel wurde. War ich jetzt
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