Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
Unterhaltungen fanden allerdings nie in der Nähe von Burch oder Radburn statt. Solche Bestrebungen hätten sofort die Peitsche auf unseren Rücken tanzen lassen.
Um einen vollständigen und wahrheitsgetreuen Bericht der wichtigen Ereignisse in meinem Leben zu präsentieren ist es notwendig, die Einrichtung der Sklaverei so zu porträtieren, wie ich sie erlebt habe und auch von bekannten Plätzen oder noch lebenden Leuten zu reden. Washington und seine Umgebung sind und waren mir seit jeher fremd. Abgesehen von Burch und Radburn kenne ich dort niemanden, mit Ausnahme der Leute von denen mir meine versklavten Gefährten erzählten. Was ich nun erzähle kann, sollte es unwahr sein, leicht widerlegt werden.
Ich blieb rund zwei Wochen in Williams' Sklavenstall. In der Nacht vor meiner Abreise wurde eine Frau hereingebracht. Sie weinte erbärmlich und führte ein kleines Kind an der Hand. Es waren Randalls Mutter und seine Halbschwester. Als er sie traf wurde er von der Freude fast übermannt, klammerte sich an ihr Kleid, küsste das Kind und zeigte immer wieder seine überschwängliche Begeisterung. Die Mutter umklammerte ihn ebenso, umarmte ihn zärtlich und betrachtete ihn überglücklich durch ihre Tränen. Dabei gab sie ihm alle möglichen liebkosenden Namen.
Emily, das Kind, war sieben oder acht Jahre alt, schmächtig gebaut, und hatte ein bewundernswert schönes Gesicht. Das Haar fiel ihr in Locken um den Hals während Stil und Machart ihres Kleids, als auch ihre ganze adrette Erscheinung davon zeugten, dass sie inmitten von Wohlstand aufgewachsen sein muss. Sie war wirklich ein süßes Kind.
Die Frau war in Seide gekleidet und trug Ringe an ihren Fingern und goldener Schmuck zierte ihre Ohren. Ihre Aura, ihr Gebaren und die Art, wie sie sprach - all dies belegte eindeutig, dass sie einmal gesellschaftlich über dem Stand eines Sklaven gelebt haben musste. Sie schien verwundert darüber zu sein, dass sie sich an einem Platz wie diesem befand. Eine unerwartete und plötzliche Wendung ihres Glücks hatte sie hierher gebracht. Während ihr Jammern noch den Raum erfüllte wurde sie mit mir und den Kindern in die Zelle gesperrt. Man kann mit Worten nur spärlich die Klagen beschreiben, die sie fortwährend von sich gab. Sie warf sich auf den Boden, barg die beiden in ihren Armen und sprach mit ihnen mit so viel Liebe und Hingabe, wie sie nur Eltern für ihre Kinder empfinden können. Sie schmiegten sich in ihrer Suche nach Sicherheit und Schutz so nahe an die Mutter wie eben möglich. Den Kopf in ihrem Schoß schliefen die Kinder endlich ein. Während sie sanft schlummerten strich ihnen die Frau zärtlich die Haare aus dem Gesicht und sprach leise weiter zu ihnen. Sie nannte sie ihre Lieblinge, ihre süßen Babys, arme, unschuldige Geschöpfe die keine Ahnung von dem Elend hatten, das sie durchmachen sollten. Bald hätten sie keine Mutter mehr, die sie trösten könne – man würde sie ihr wegnehmen. Was würde aus ihnen werden? Oh! Sie könne nicht ohne ihre kleine Emmy und den Jungen leben. Sie waren immer so gute Kinder gewesen, so liebevoll. Gott wüsste, dass es ihr das Herz brechen würde, wenn man ihr die Kinder wegnähme; doch sie wusste, dass man die Kinder verkaufen wollte und dass sie vielleicht sogar getrennt werden und sich nie mehr sehen würden. Selbst ein Herz aus Stein wäre durch die mitleidvollen Äußerungen dieser verzweifelten und am Boden zerstörten Mutter erweicht worden. Ihr Name war Eliza, und dies ist ihre Lebensgeschichte, wie sie sie mir später erzählte:
Sie war die Sklavin eines reichen Mannes und lebte in der Nähe von Washington. Ich glaube sie sagte, dass sie auf seiner Plantage geboren worden war. Vor einigen Jahren hatte ihn die Verschwendungssucht gepackt und er überwarf sich mit seiner Frau. Kurz nach der Geburt Randalls haben sie sich getrennt. Während seine Frau und seine Tochter in dem Haus blieben, das sie immer bewohnt hatten, errichtete er ein neues in der Nähe davon. In dieses Haus nahm er Eliza mit; unter der Bedingung, dass Eliza mit ihm leben sollte, stellte er sie und ihre Kinder mit ihm gleich. Sie lebte mit ihm dort neun Jahre, hatte Diener, die sich um sie kümmerten und jeden Luxus, den man sich erträumen konnte. Emily war seine Tochter! Schließlich heiratete ihre junge Herrin, die mit ihrer Mutter nach wie vor im Gehöft nebenan lebte, einen Mr. Jacob Brooks. Nach einiger Zeit wurden die Besitztümer des ehemaligen Paares getrennt,
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