Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
und Brown. Sie waren die einzigen Menschen in Washington, die ich kannte. Wir standen zusammen als die Beerdigungsprozession an uns vorbei zog. Ich entsinne mich noch, wie einmal das Fensterglas brach und zu Boden fiel, als man auf dem Friedhof die Kanone zum Salut abfeuerte. Wir schlenderten zum Capitol und gingen dort eine ganze Weile in den Anlagen spazieren. Am Nachmittag schlenderten sie in Richtung des Weißen Hauses ( damals noch Presidents House, Anmerkung des Übersetzers ) und zeigten mir, der ich immer in ihrer unmittelbaren Nähe war, weitere Sehenswürdigkeiten. Bis jetzt hatte ich noch nichts von dem Zirkus erspäht. Um ehrlich zu sein habe ich aber auch wenig, falls überhaupt, nicht an ihn gedacht. Dafür war der Tag viel zu aufregend.
Meine Freunde gingen während des Nachmittags mehrmals in Kneipen und bestellten alkoholische Getränke. So weit ich das beurteilen kann waren sie aber weit davon entfernt, zu viel davon zu trinken. Bei diesen Gelegenheiten reichten sie, nachdem sie sich selbst eingeschenkt hatten, auch mir ein Glas. Auch wenn man nun aufgrund der folgenden Ereignisse meinen könnte, ich sei betrunken gewesen – dem war mitnichten so. Gegen Abend und kurz nachdem ich eines dieser Getränke zu mir genommen hatte begann ich mich schlecht fühlen. Sogar sehr krank. Mein Kopf begann zu schmerzen – ein dumpfer, schwerer Schmerz, der fast nicht auszuhalten war. Beim Abendessen fühlte ich keinerlei Appetit; beim Anblick und Geruch des Essens wurde mir schlecht. Als es dunkel wurde führte mich derselbe Diener zu dem Zimmer, das ich auch in der vergangenen Nacht bewohnt hatte. Brown und Hamilton rieten mir, mich zur Ruhe zu begeben und bedauerten meine Lage. Sie gaben mir Anlass zur Hoffnung, dass es mir morgens besser gehen würde. Ich entledigte mich bloß meines Mantels und meiner Stiefel und legte mich aufs Bett. Es war unmöglich zu schlafen. Der Schmerz in meinem Kopf wurde immer stärker, fast unerträglich. Nach kurzer Zeit wurde ich sehr durstig. Meine Lippen waren wie ausgedörrt. Ich konnte nur noch an Wasser denken – an Seen und Flüsse, an Bäche, über die ich mich zum Trinken gebeugt hatte und an den tropfenden Eimer, der voll des kühlen Nektars vom Boden des Brunnens heraufgezogen wurde. Gegen Mitternacht, das vermutete ich jedenfalls, stand ich auf. Ich war nicht länger in der Lage, diesen unglaublichen Durst auszuhalten. Ich war fremd in dem Haus und wusste nichts über seine Zimmer. Alle schliefen, soweit ich das beurteilen konnte. Blind herumtastend, keine Ahnung wo, fand ich irgendwie den Weg in eine Küche im Untergeschoß. Zwei oder drei farbige Diener liefen darin herum und eine Frau gab mir zwei Gläser Wasser. Das brachte mir eine kurzfristige Linderung, die aber nur solange anhielt bis ich mein Zimmer wieder erreicht hatte. Dann begann das Ganze von vorne; der gleiche peinigende Durst, das unbändige Verlangen zu trinken war wieder da. Es war sogar noch schlimmer als zuvor, ebenso der abscheuliche Schmerz in meinem Kopf – falls dies überhaupt möglich war. Ich war in einer schlimmen Lage und litt grausamste Höllenqualen! Mir schien, ich stünde am Rande des Wahnsinns! Die Erinnerung an diese Nacht voller schrecklicher Leiden wird mich bis ins Grab verfolgen.
Innerhalb einer Stunde nach meiner Rückkehr aus der Küche bemerkte ich, wie jemand den Raum betrat. Es schienen mehrere zu sein, ein Gemisch verschiedenster Stimmen; aber wie viele und wer sie waren, kann ich nicht sagen. Ob Brown und Hamilton unter ihnen waren oder auch nicht wäre pure Vermutung. Ich erinnere mich nur mit einiger Deutlichkeit, dass man mir sagte, ich müsse zu einem Arzt gehen und mir dort Medikamente besorgen. Ich zog meine Stiefel an und folgte ihnen, ohne Mantel oder Hut, durch einen langen Durchgang oder eine Gasse raus auf die Straße. Diese bog rechtwinklig von der Pennsylvania Avenue ab. Auf der anderen Seite sah ich ein Licht in einem Fenster. Mein Eindruck war, dass da drei Personen bei mir waren; aber das ist so verschwommen und vage wie die Erinnerung an einen bösen Traum. Die letzte aufflackernde Erinnerung, die ich heute noch habe, ist dass wir auf das Licht zugingen, von dem ich glaubte, dass es aus der Praxis eines Arztes schien und das immer mehr zurückwich, je mehr ich mich ihm näherte. Von diesem Moment an war ich bewusstlos. Wie lange ich das war weiß ich nicht, vielleicht nur eine Nacht, oder auch viele Tage und Nächte; aber als mein Bewusstsein
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