Zwölf Monate, siebzehn Kerle und ein Happy End: Das Single-Experiment (German Edition)
Texten zu arbeiten. Glücklicherweise bin ich bilingual aufgewachsen, daher ging das zumindest im englischsprachigen Bereich ganz gut. Zwei Jahre später habe ich in Spanien einen dreimonatigen Sprachkurs belegt und mich dann in einem gemeinnützigen Projekt engagiert, das Kinder beim Schreiben eigener, kleiner Bücher unterstützt. Danach wurden die kleinen Kunstwerke lektoriert und veröffentlicht.«
Angeber. Der sammelt sogar Berufserfahrung, wenn er die Welt besser macht. Markus wird mir ein bisschen unsympathisch. Trotz seines phänomenalen Aussehens. Nach einer halben Stunde, in der ich ihn überhaupt nichts mehr zu seinem beruflichen Werdegang frage, sondern seine Kindheit (glücklich, Schleswig-Holstein) und seine Hobbys (Segeln, Joggen) überprüfe, muss Markus mal aufs Klo. Ich lasse ihn. Irgendwie ist mir Markus doch ein bisschen ZU perfekt. Nicht dass er am Ende seine eigene Chefin aussticht.
Als er zurückkommt, scheint er sich nicht mehr setzen zu wollen, sondern beginnt zögernd: »Also, Juli, ich muss ehrlich sagen, das klingt alles ganz nett, aber so ganz sehe ich nicht, was meine Aufgaben sein sollen. Und um ehrlich zu sein …«, er wird etwas selbstsicherer und lauter, »finde ich das alles hier ein bisschen komisch.«
Oh. Da dreht aber einer auf. Wie gut, dass ich ihn schon vorher blöd fand. »Ja, Markus, da magst du recht haben. Auch ich habe mir da einen etwas – mhm – kompetenteren Mitarbeiter«, Danke, Herr von S.!, »vorgestellt. Ich denke, über Details brauchen wir gar nicht mehr sprechen, wir haben hier völlig unterschiedliche Vorstellungen von Literatur und der Arbeit eines Lektors. In den großen Unternehmen hat man da einfach eine oberflächlichere Herangehensweise, das ist ja nicht deine Schuld, du kennst es halt nicht anders. Wir kleinen Literaturbetriebe lächeln da ehrlich gesagt ein wenig drüber. Aber man muss wissen, was man möchte. Kunst oder Kommerz. Ich danke dir aber herzlich, dass du da warst. Alles Gute.«
Dass ich ihn nicht noch mit einer Hand nach draußen wedele, ist mal alles. Ich bin eine Scheiß-Chefin. Markus verlässt, sichtlich angefressen, aber auch komplett verwirrt, meine Wohnung.
Dann geh ich mal aufs Klo, das Kostüm zwickt ganz schön. Da wird mir Markus’ plötzlicher Wunsch, sich zu verabschieden, klar: Neben dem Klo steht eine offene Packung Tampons, im Waschbecken liegen meine Bürste und viele, viele Haare. Und in der Dusche hängt mein ollster BH, den ich von Hand gewaschen habe, und tropft schön regelmäßig den Duschbereich voll.
Ja, dann lieber ein großer Verlag. Ohne private Kontakte. Verstehe.
Expansion
Mittwoch, 04. November um 19:22 Uhr
Nachtrag: Ich habe den Praktikumsplatz dann doch vergeben. An Tobias, den Realschüler, der sonst eine Sechs in Arbeitslehre bekommen hätte. Tobias gießt meine Blumen, bringt Post weg und reinigt die Kaffeemaschine. Die Jugend von heute ist gar nicht so schlecht. Gut, er muss nur zwei Stunden täglich kommen und selbst da mache ich ihm meistens die Glotze an. Aber er ist glücklich, ich schreibe ihm eine nette Beurteilung, und so habe ich auch mal was Gutes für die Menschheit getan! Pah, Kinderbücher lektorieren! Ich betrüge gemeinsam mit einem Teenager das Schulsystem. Das ist mal Engagement.
FAZIT: Es hat sich ausgeflüstert
Also, seien wir mal ehrlich. Der erste Monat war ein Schuss in den Ofen. Die Liebe am Arbeitsplatz, der heiße Flirt am Kopierer und die Eheschließung in der Firmenkantine, die mag es ja geben – in Großbetrieben. Da gibt’s ja auch Intranet, Workshops und Weihnachtsfeiern, wo man sich kennen und lieben lernen kann. Mir passiert so was nicht, ich habe aber auch kein Intranet und keine Firmenkantine, ich kann niemanden über die Instant-Kartoffelsuppe oder die dienstägliche Birne Helene anschmachten, ich kann mich auf keine gemeinsamen Workshops oder Geschäftsreisen freuen, ich habe keine Sekretärin und vor allem keinen Sekretär und leider, leider auch keinen Coca-Cola-Mann, der mir in der New Yorker Sommerhitze Kaltgetränke bringt. Ich lebe nicht in New York und noch nicht einmal in Berlin. Ich veranstalte Weihnachtsfeiern mit mir selber und habe auch keinen Chef, der mir nach dem dritten Glas Sekt den Hintern tätschelt.
In jedem schlechten Film, in dem Liebe am Arbeitsplatz vorkommt, hat irgendjemand irgendwann einmal Sex auf dem Kopierer. Mein erotischstes Erlebnis mit dem Kopierer habe ich gerade jetzt, als mir die Klappe vom Papiereinzug gegen das
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