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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Sattel weit zurückgelehnt, die Arme ausgebreitet, das Gesicht zum tobenden Himmel gewandt. Der hatte alle Schleusen geöffnet und strömte ihr entgegen.
    »Reva!«
    Eine seltsame Bewegung, als ginge eine Welle durch ihren schmächtigen Körper, kaum erkennbar im dichten Regen. Sie fiel. Glitt aus dem Sattel, wie ein Tautropfen vom Blatt rutscht. Ihr Pferd hob den Kopf und stürmte davon. Felt sprang ab, die Zügel fest gepackt, und beugte sich zu Reva. Sie hatte die Augen in tiefer Ohnmacht geschlossen. Felt versuchte sie aufzurichten, sein Pferd zerrte am Zaumzeug, an seinem Arm. Wasser floss über das Gesicht und den kahlen Kopf der Unda. Es schien die verschlungenen Narben abzuwaschen, nur noch feinste Linien waren zu erkennen. Felt hob Reva hoch, sie mussten heraus aus diesem Gewitter. Er versuchte sie über den Sattel zu legen, doch das Pferd tänzelte, hatte die Ohren flach angelegt, Felt sah das Weiß in den aufgerissenen Augen. Er schrie es an. Schrie gegen den rauschenden Wind, den prasselnden Regen, das Donnergrollen und die Angst des Tiers. Da ging es endgültig durch. Warf den Kopf hoch und riss ihm die Zügel aus der Hand und war fast augenblicklich verschwunden hinter den Wassermassen, die aus dem tiefen, finsteren Himmel fielen. Felt sank auf die Knie, zog Reva zu sich, lehnte ihren Kopf an seine Brust und hielt sie fest.
    Und genau so fand Gerder die beiden, als die Front vorübergezogen war, wobei rätselhafterweise immer noch vereinzelt dicke Tropfen aus dem nun wieder strahlend blauen Himmel fielen: Im überschwemmten Gras kniete zusammengesunken ein großer, schwarz gerüsteter Mann, dessen lange, nasse Haare wie ein Vorhang schützend über der schmalen Gestalt in seinen Armen hingen.
     
    Reva war wieder zu sich gekommen, kaum dass alle getrocknet waren und das Grasland unter der Sonne dampfte. Aber sie schien in sich gekehrt wie nach einem schlechten Traum, der sienoch umfangen hielt. Ihre Ohnmacht hatte Felt erschüttert   – sie, die niemals schlief, die immer in rastloser Bewegung auf und ab ging, war schlaff und willenlos gewesen. Wie tot.
    Aber nun stieg sie wieder auf. Ihr Pferd war, seinem Instinkt folgend, aus dem abziehenden Gewitter heraus und direkt in die nachfolgende Reisegruppe gerannt. Felts Pferd blieb verschwunden, sie hatten umpacken müssen. Reva sprach nicht und antwortete nicht auf Felts Fragen. Er wollte wissen, was geschehen war. Wie es ihr ging. Was sie bedrückte. Sie schwieg und ritt wieder voraus.
    »Lass uns ihr einfach folgen«, schlug Wigo vor und zuckte die Schultern. Auch er wusste nicht, was die Unda veranlasst haben konnte, in den Gewittersturm hineinzureiten. Oder was der Regen ihr erzählt hatte. Dass die Quelle, die sie suchten, in Gefahr war, ahnten sie beide. Aber sie wollten es nicht aussprechen.
     
    Sie erreichten den Scheitelpunkt des weit über das Grasland gelegten Gewässerfächers und folgten dem Flusslauf stromaufwärts, die Nachmittagssonne im Rücken. Der Grund wurde felsiger, der Fluss schmaler und schneller. Er blieb aber recht flach, nicht mehr als knietief. Rechts und links des kiesigen Flussbetts stieg das Land an, die ersten Ausläufer der langen Kette der Randberge, die den Kontinent davor bewahrten, in den endlosen Berst zu stürzen. Dann, nach einer Schleife, verschwand der Fluss im Dunkel einer Höhle.
    Reva stieg ab und strebte wortlos durch das Wasser dem Eingang zu, Felt hechtete ihr hinterher. Er fasste sie bei den Schultern, drehte sie um.
    »Reva, bitte. Gib mir einen Moment und ich komme mit dir.«
    Sie sah zu ihm auf. Sah ihn an, irritiert. Dann huschten ihreAugen über die anderen, die Soldaten, die von ihren Pferden sprangen, den schwitzenden Koch, dem der Tagesritt mit Gewitterschauer sichtlich zugesetzt hatte. Über Alba, das Mädchen, das ein Lächeln in Felts Richtung schickte, über die jungen Kaufleute, deren Laune durch nichts zu verderben war und die laut ein wahrscheinlich schmutziges Lied sangen, einige pramsche Soldaten lachten. Sie alle kamen nach und nach zum steinigen Rund vor der Höhle, der umgeben und geschützt war von grasigen, felsdurchsetzten Hügeln. Reva nickte.
    »Ich warte. Aber beeil dich.«
     
    Sie wanderte ungeduldig im Fluss auf und ab, während Felt Gerder mit der Organisation des Lagers beauftragte und hastig zwei Fackeln präparierte   – Wigo wollte unbedingt mitkommen und Felt war zu oft unter Stein gewesen, um sich auf das Licht eines anderen zu verlassen; jeder sollte sein eigenes

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