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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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matt in seinem Schoß   – er schlief. Felt sah sich um. Hier und da ein milchig-grünes Aufleuchten im Dunkel, immerhin, also vernachlässigte nicht jeder im Lager seine Pflichten. Die Luchergeschichte war den Pramern sicher bekannt. Gut so, denn nichts erhöht die Wachsamkeit mehr als Furcht. Sollten sie sich ruhig ihre Ängste zuflüstern, das hielt den Geist in Bewegung und war das beste Mittel gegen den drückenden Stumpfsinn dieser gleichförmigen Sumpftage und -nächte. Felt hatte nicht einen Moment an die Krötenmenschen geglaubt, und dass Wigo nun selbst selig schlummerte, war wohl Beweis genug. Doch eine zufriedenstellende Erklärung für das Gefühl, beobachtet zu werden, hatte er damit immer noch nicht. Er war unruhig. Er spürte eine Sehnsucht nach Reva, er wollte sie sehen, jetzt gleich. Man konnte sie nicht auf ein Mooskissen zwingen, sie wanderte auch nachts. Doch sie entfernte sich nie weit von Felt, eine stille Abmachung, die ihm wenigstens ein paar Stunden Schlaf ermöglichte. Felt suchte, während er seine Stiefelanzog, nach ihrem weißen Strahlen. Er fand es nicht und wurde noch unruhiger. Dieser dämliche Diener hatte Unmengen Moos in die Stiefel gestopft. Wo war Reva?
     
    Die Nervosität im Lager war größer, als Felt vermutet hatte. Keiner der Soldaten schlief, alle saßen oder standen in Inseln aus grünem Licht und starrten ins Dunkel, Speere in den Händen. Felts Sorge wuchs, er fand Reva nicht. Ihre Dienerin hockte, die Arme um die Knie geschlungen, allein auf einem kleinen Mooshügel und blickte ins sie umgebende schwarze Wasser. Sie reagierte nicht auf Felts Fragen. Es half nichts, er musste die Suche ausweiten.
    Er beorderte zwei Soldaten zu sich und befahl ihnen, die Käfer wegzustecken. Im Nebel streute das Licht, man konnte zwar sehen, wohin man trat, aber man ging in einer leuchtenden Glocke   – Felt wollte Revas Licht sehen, nicht sein eigenes. Also mussten sie sprechen, um sich in der Dunkelheit nicht zu verlieren. Felt begann mit »Palmon«, dem ersten Tag der Zehne, von rechts kam ein »Deller«, dem zweiten Tag, gefolgt von einem »Iller« von links. So tappten sie mit weit geöffneten Augen durchs Schwarz und riefen sich die Tage der Zehne zu. Bereits nach sieben so aufgesagten Zehnen war das Lager nur noch ein schwaches Glimmen. Aber kein weißes Licht, keine Reva. Felt ließ einen Soldaten zurück   – er musste ihm nicht erst befehlen, anständig Licht zu machen, der Mann schüttelte das Käfersäckchen ohne Unterlass. Fünf Zehnen weiter musste der zweite Pramer als Lichtanker im Dunkel stehen bleiben und Felt ging allein weiter. Er stolperte, er fiel, er stand wieder auf und ging weiter. Er hatte das deutliche Gefühl, Reva näher zu kommen, aber gleichzeitig saß ihm eine Angst im Nacken   – ihm war, als bewege er sich geradewegs auf ein ausgebranntes Haus zu, dessen Bewohner es nicht nach draußen geschafft hatten.Er hatte im Geiste weitergezählt, und als er bei der zwölften Zehne war, blickte er sich um: lärmendes, schwarzes Nichts, das Licht des letzten Soldaten nicht einmal mehr eine Ahnung. Felt erinnerte sich schlagartig.
    Wie damals stand er allein und orientierungslos im Dunkeln.
    Er griff nach seinem Schwert.
    Und es war da. Erleichterung. Er griff sich an die Brust und spürte den kalten Stahl der Panzerung. Er war nicht nackt und hier war kein Wald. Kein Wolf.
    Wie soll ich dich finden, wenn du mich nicht rufst?
    Felt sagte leise: »Reva, wo bist du?«
    Ein weißer Schimmer, nicht weit, und nicht das Licht des Mondes, dieser Sumpf kannte keinen Mond.
    Felt stolperte auf den Lichtkreis zu, bis sich endlich Revas Gestalt hinter den Dunstschleiern abzeichnete. Sie stand bis zur Hüfte im Wasser eines kreisrunden Tümpels. Und   – Felt erstarrte   – sie war nicht allein. Ihr gegenüber bewegte sich eine Gestalt, genauso kahlköpfig wie die Unda und nicht größer als sie, aber mit geblähtem Leib und stockdürren Armen. Felt zog sein Schwert, der hohe Ton war ein Riss im dumpfen Klangteppich. Reva hob die Hand und mit ihr die weiße Flamme   – noch mehr Gestalten, im Wasser, in Moos und Gestrüpp hockend, unbewegt, das mussten Hunderte sein. Plötzlich dicht vor Felt eine Fratze, ein starrer Blick aus großen, weit auseinanderstehenden gelben Augen. Keine Nase. Keine Ohren. Kein Hals. Ein tiefer Ton, ein sich wölbender Hautsack, ein schneller Sprung, verschwunden.
    »Felt, da bist du ja endlich«, sagte Reva. »Wir haben gerade von dir

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