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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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waren ihm in die Augen geschossen, er war blind und stumm vor Schmerz.
    Und so konnte er Juhuts Warnruf nicht mehr an die Freunde weitergeben. Ein Pfeil traf das Pferd in den Hals, direkt neben Babus Hand. Es wieherte schrill, stieg, Babu ging zu Boden, Arme schützend über dem Kopf. Wieder sirrte es, Timok fluchte, Nuru schrie. Babu bekam einen Tritt in die Seite, sodass ihm endgültig die Luft wegblieb. Er riss die Augen auf, sah die Geschwister beide geduckt, Timok hielt sich den Oberarm, Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Nuru hockte hinter ihm, war sie verletzt? Sie starrte Babu mit weit geöffneten Augen an, sie schüttelte den Kopf. Timok robbte in sein Zelt, kam wiederhervor, mit Bogen und Pfeilen. Wo waren die Angreifer? Von überall aus dem Lager kamen nun Schreie, sie wurden von verschiedenen Seiten attackiert. Timok richtete sich auf, zielte, schickte seinen Pfeil auf die Reise. Die Antwort kam prompt. Aber dieses Mal kein Streifschuss, Timok ging in die Knie, ein Geschoss steckte in seiner Wade. Nuru griff nach dem Bogen, Babu hielt sie zurück.
    »Hier geht es nur um mich«, sagte er.
    Man musste ein schlechter Schütze sein, um den aufrecht stehenden Timok nicht in die Brust, sondern in die Wade zu treffen. Oder ein sehr guter. Babu stand auf, hob den Arm, wartete einen Augenblick, bis Juhut gelandet war. Dann ging er den Reitern, die sich mit gespannten Bögen hinter ihrem Anführer versammelten, mit schnellen, festen Schritten und pochenden Schläfen entgegen.
     
    »So sieht man sich wieder, mein Freund«, sagte Jator. Er saß sehr aufrecht auf dem Rücken seines Ponys, seine gefettete Lederrüstung glänzte in der Morgensonne. Er war hager geworden. Auch die anderen drei Männer waren gerüstet. Auf den ledernen Brustplatten leuchtete rot das Abbild eines Steppenwolfs, das Zeichen ihres Clans. Es waren Kalbaken, entfernte Vettern von Jator, Babu kannte sie vom Sehen. Seit wann zeigten die einzelnen Clans wieder so offen ihre Farben? Die Kalbaken waren nach den Bator der zweitgrößte der zehn Clans und seit jeher deren Verbündete gewesen. Bis auf Jator. Jator war Kalbake, aber er war ein Verräter. Er schien unbewaffnet zu sein, seine Hände ruhten auf den Schenkeln. Aber er wies seine Vettern nicht an, die Bögen herunterzunehmen.
    »Was willst du hier?«, fragte Babu, als ob er die Antwort nicht wusste.
    Jator schaute an Babu vorbei.
    »Gefällt es dir bei diesen Wilden?«
    Babu antwortete nicht. Jator sog Luft ein. »Ich rieche den Gestank bis hierher.«
    »Ich schieß dich von deinem Pony, Winzling!«, hörte Babu Nurus zorniges Kreischen ein paar Schritte hinter sich. Lass!, wollte er sagen, aber schon hatte einer der Reiter geschossen. Ein Flügelschlag nur, ein leises Knacken, ein Pfeil im Gras. Als sich Verwunderung auf Nurus Gesicht abzuzeichnen begann, landete Juhut bereits wieder auf Babus Arm. Sie ließ ihren Bogen sinken. Auch die Vettern wurden unsicher. Nur Jator ließ sich nichts anmerken.
    »Wenn ich es gewollt hätte, wärt ihr alle tot. Selbst dein Vogel kann nicht alle Pfeile fangen. Aber diese Leute da gehen mich nichts an. Nur du gehst mich etwas an, Babu.«
    »Das weiß ich leider allzu gut«, sagte Babu bitter.
    Nuru war neben ihn getreten, er spürte ihre Hand in seiner. Er hatte niemandem vom Thon und vom Verrat erzählt und die Nogaiyer hatten nicht gefragt. Sie hatten ihn ohne Weiteres aufgenommen, es war alles so einfach gewesen, so unglaublich einfach, und Babu hatte sich fallen lassen in die Gastfreundschaft dieser Leute, die sich um Besitz nicht scherten. Das würde er auch noch lernen. Er würde teilen lernen und leben und frei sein. Mit dem Mädchen. Das Mädchen   … So nah war sie ihm geworden in so kurzer Zeit, er spürte sie zu seiner Rechten, er spürte Juhuts Gewicht auf seinem linken Arm, er fühlte sich angekommen am richtigen Ort, im richtigen Leben.
    Aber nun war Jator da, ausgerechnet Jator.
    Babu hatte nicht mehr an ihn gedacht, nicht mehr an ihn denken können. Das Neue hatte die Erinnerung überdeckt und erst, wenn es nicht mehr neu gewesen wäre, hätte Babu wieder an Jator denken müssen. Die Zeit hatte er nun nicht mehr, Jator hatte ihn eingeholt und mit ihm war auch alles andere zurückgekehrt:die Abende am Feuer, wenn Jator die Spieße drehte, wenn er sagte, wie gut das Land für sie sorgte. Wenn er sagte, er wolle mit Babu kommen, bis an sein Lebensende, weil er sein Freund sei. Babu müsse sich nur anpassen, nur ein wenig dankbar

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