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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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Vogel, dann wandte sie sich mit einem Lächeln an Felt: »Das ist bemerkenswert. Sehr bemerkenswert. Verdirb es dir nicht mit dem jungen Merzer.«
    »Was macht er eigentlich hier?«, fragte Felt. »Siedeln die Merzer nicht viel weiter westlich? Ist er allein?«
    »Frag ihn selbst«, sagte Reva.
    Das war Felt zu mühsam. Er hatte noch viel zu tun. Er würde diesem Babu, oder wie er hieß, jetzt einen Sattel geben und sich vier Pferde aussuchen, dann musste er endlich das tun, wovor ihm graute: sich der Toten annehmen.
     
    Der Merzer war nicht davongeritten. Ohne groß zu fragen, hatte er Felt geholfen, Leichen und Leichenteile einzusammeln,die Toten zu bedecken und sie am Flussufer aufzureihen. Es war eine deprimierend lange Reihe und sie brauchten bis zum Nachmittag, bis sie genug Brennmaterial beisammen hatten. Sie sammelten Waffen ein, packten Taschen, beluden Pferde. Vieles ließen sie zurück, doch das Geld der Kaufleute nahm Felt an sich. Gerders Körper war nicht vom Boden zu lösen, graben war unmöglich im felsigen Grund. Die ihn umgebenden Wolfskadaver waren ebenfalls mit steinharten, schwarzen Blutkrusten am Boden angewachsen. Felt entschied sich, einen Kreis aus Steinen um den Kameraden zu legen. Er sollte nicht im selben Feuer brennen wie die Wölfe. Die sollten liegen bleiben für die Aasfresser.
    Felt nahm Gerder vorsichtig den Helm ab und setzte ihn sich auf.
    »Nur geliehen, Kamerad. Ich gebe ihn dir zurück, wenn wir uns wiedersehen.«
    Ihn entzündete Felt als Ersten, dann ging er langsam die Reihe am Flussufer entlang. Als Letzter brannte Wigo. Felt stand noch eine Weile im Rauch, dankbar für einen Vorwand, um weinen zu können.

TEIL VIER

 
    ERSTES KAPITEL
NOGAIYER
    »Nuru! Wo ist Nuru?«
    Die zahnlose Alte machte eine vage Handbewegung. Babu stapfte Richtung Wasserfall und stolperte dabei über einen Topf. Dieses Lager war das reinste Chaos   – nur noch acht Zelte, die anderen Familien waren weitergezogen, trotzdem herrschte ein Durcheinander wie nach einem tagelangen Trinkgelage. Ein paar Hunde stürzten sich auf die verschüttete Suppe, Babu hörte Fluchen, dann Kläffen, er drehte sich nicht um. Er ging weiter und erreichte das kleine Wäldchen. Der See funkelte in der Frühsonne, und unter dem Wasserfall, im Rauschen und im feinen Nebel, stand das Mädchen. Babu hielt inne, trat hinter einen Stamm, spähte. Die glatten braunen Haare waren nass und glänzten fast schwarz. Die Haut milchweiß, die Brüste spitz. Babu kniff die Augen zusammen. Im bewegten Wasser war das dunkle Dreieck ihrer Scham schwer zu sehen. Doch, da war es. Babu spürte, wie seine Wut umschlug. Er schaute weg, rief: »Nuru, es sind schon wieder zwei verschwunden!«
    Er ließ sich auf den weichen, kühlen Waldboden fallen und schlang die Arme um die Knie. Das hatte nicht vorwurfsvoll, sondern hilflos geklungen. Hatte sie denn unbedingt nackt seinmüssen? Ja, hatte sie, man badete selten in Kleidern   – und war er nicht besonders schnell gegangen, um genau das zu sehen, was er gesehen hatte?
    »Und?«, fragte Nuru. An ihren Füßen klebten welke Blätter, an ihrer nassen Haut ein Lederhemd.
    »Die Hunde taugen nichts und der Falke ist ein Jäger, er kann nicht die ganze Nacht Wache halten. Er hat einfach keine Lust dazu.«
    »Und?«, fragte Nuru wieder. Sie setzte sich neben Babu. Er spürte noch die Kühle des Bads. Zwischen ihren Wimpern hingen Wasserperlen.
    »Wie,
und
? So geht das nicht. Es sind
meine
Pferde! Es kann doch nicht einfach jeder daherkommen und meine Pferde nehmen!«
    »Du hast doch nur einen Hintern. Oder etwa nicht?«
    »Begreifst du nicht? Meine Pferde werden gestohlen. Fünf sind schon weg. Verschwunden. Ich werde mit Nogaiyer Thon sprechen.«
    Nuru legte sich zurück, schloss die Augen. Ihr Gesicht war rund und glatt wie ein Kiesel, ihre Augenbrauen sahen aus wie zwei kleine, gespannte Bögen. Beim Sprechen verzog sich ihr Mund immer auf eine Gesichtshälfte, nur etwas, nur gerade so weit, dass man nichts anderes mehr ansehen konnte als diese Lippen. Babu riss sich zusammen, aber wütend war er nicht mehr. Ganz und gar nicht.
    »Babu«, sagte sie, ihr Akzent war dunkel und hart, »du bist der, der nichts begreift. Dein Brauner ist noch da, stimmt’s?« Sie öffnete ein Auge. Babu nickte. Sie schloss das Auge wieder.
    »Weißt du, was mein Vater dir sagen wird, wenn du deine Klage vorbringst   – falls du ihn findest?« Sie wartete Babus Antwort nicht ab. »Er wird sagen: Sei

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