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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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davor stand, sich selbst auszulöschen. Sie haben der Menschheit einen Ausweg aus der Katastrophe gezeigt. Die Szaslas haben den Menschen ihr Bewusstsein gebracht und somit die Fähigkeit, zu erkennen, zu bewerten, Entscheidungen zu treffen.
Denken zu können
ist nicht nur ein Geschenk   – du, der du so viel grübelst und zweifelst, weißt, wovon ich rede. Aber damals haben genug Menschen diese neue Fähigkeit genutzt und das blindwütige Morden fand ein Ende. Aus der Alten Zeit wurde diese Zeit: die Zeit der neuen Menschen. Ich nahm es als gutes Zeichen, als ich dich und die Szasla sah. Ich sah die Wölfe, sah das furchtbare Massaker und ich sah die Szasla   – ich sah Rettung und Hilfe in der Bedrängnis. Wenn die Szaslas fliegen, steht es nicht gut um den Kontinent. Das ist immer so, das wusste ich bereits. Aber
dass
sie fliegen, nahm ich als Zeichen der Hoffnung. Nun erfahre ich, dass diese Szasla nicht aus Wiatraïn stammt, sondern aus unserer Welt. Ich höre von drei Eiern. Ich begegne einem Szasran, der von seiner Szasla verlassen wurde und der von nichts eine Ahnung hat   … Babu, es mag dir so vorkommen, als ob ich viel wüsste. Aber in Wahrheit weiß ich immer weniger von dem, was in dieser Welt vor sich geht. Das bereitet mir Sorgen. Sehr große Sorgen.«

 
    ACHTES KAPITEL
HINTER DER MASKE
     
    Die Wärme des Feuers hatte schließlich doch geholfen und Felt hatte die Augen aufgeschlagen. Aber wirklich zu ihnen zurückgekehrt war er nicht. Er sprach nicht. Reva stellte ihm ein paar Fragen   – nach seinem Dienstrang, seinem Namen, dem Namen seines Vaters, seiner Frau, seiner Kinder. Felt antwortete nicht, er schaute sie nur an, versunken in den Anblick, doch ohne ein Zeichen des Erkennens. Eher wie ein Kleinkind, das zwar sein Schläfchen beendet hat, aber noch still und zufrieden auf dem Rücken liegt und die Bewegung in den aufgefädelten Federn und Knöchelchen beobachtet, die die Mutter an der Zeltstange befestigt hat. Und wie das Kind hob Felt einen Arm, um zu greifen, was er da sah   – und Reva zuckte zurück. Mittel- und Ringfinger der rechten Hand waren verformt, mit dicken Blasen überzogen, offenbar blutgefüllt, denn sie waren dunkelrot, fast blau. Revas Augen waren wie ausgepustet, als sie sprach: »Erfroren. Beide Finger. Wann ist das passiert? Hat er keine Handschuhe getragen? Er trägt
immer
Handschuhe, darauf habe ich mich verlassen.«
    Babu konnte sich nicht erinnern. Und er konnte sich auch nicht erklären, wie Felt sich diese Erfrierung zugezogen habensollte. Hier war es nicht kalt. Selbst der Stein, auf dem Felt lag, war nicht so kalt, wie er es in solch einer Höhe hätte sein können. Erst jetzt fiel Babu auf, wie hoch sie sein mussten, über den Wolken, und wie wenig ihm das ausmachte. Babu konnte atmen, konnte sich bewegen, fror nicht und hatte keine Kopfschmerzen. Körperlich war es ihm lange nicht so gut gegangen wie gerade jetzt. Wenn ihm nur die Seele nicht so entsetzlich wehgetan hätte   … Seine Augen wurden feucht, er schluckte.
    »Babu, reiß dich zusammen. Wir können später weiterreden. Aber jetzt sag mir, ob die Hand noch kalt ist.«
    Babu nahm vorsichtig Felts verunstaltete Hand, der ließ es zu und schaute Babu nun genauso versonnen an wie vorher Reva.
    »Die Hand ist kühl, aber nicht kalt. Die Finger sind   – tut ihm das nicht weh?«
    »Ich fürchte nicht.«
    Babu strich über die zum Platzen gespannte verfärbte Haut.
    »Kalt. Wie tot. Und was jetzt?«
    »Nichts. Es ist zu spät. Entweder die Hand rettet sich selbst oder die Finger müssen abgenommen werden. Was wahrscheinlicher ist.« Als Reva Babus erschrockenes Gesicht sah, fügte sie hinzu: »Aber nicht sofort. Es ist seine Schwerthand, wir warten ab. So oder so wird er sie lange Zeit nicht benutzen können. Er wird die linke nehmen müssen.«
    Babu schaute sie so verstört an, dass Reva weiter erklärte: »Felt ist Soldat, Babu, und er ist Welse. Er kennt nichts besser als das Schwert und die Kälte. Wenn es denn so kommen sollte, wird er den Verlust zweier Finger verkraften. Es ist weder schön noch wird es leicht sein. Aber er wird sich damit abfinden und sich anpassen. Er ist nichts anderes gewohnt.«
    Sie begann wieder auf und ab zu gehen. Es war seltsam, aber Revas Ruhelosigkeit übertrug sich nicht auf Babu   – eswar eher angenehm, ihr beim Wandern zuzuschauen. Man tat selbst nichts, aber die Dinge ordneten sich. Langsam hörten Babus Gedanken auf, um ihn selbst zu kreisen. Er sah

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