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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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ihn wiederbekommen? Du hast tatsächlich nicht die Spur einer Ahnung! Wer hat dir das Ei gegeben   – ich nehme doch an, dass es tatsächlich ein Geschenk war? Oder hast du es gestohlen
?
«
    Babu schüttelte den Kopf.
    »Nein, nein, es war ein Geschenk. Von Asshan.«
    »Von Asshan?
Unsinn

    »Doch, ein Falkner mit Namen Asshan ist zu uns gekommen, mit noch zwei anderen, aber deren Namen kenne ich nicht. Asshan, ich bin sicher   – kennt Ihr ihn?«
    »Ich weiß von ihm. Aber das ist unwichtig. Jetzt erinnere dich, Babu, erinnere dich und erzähl mir ganz genau, was er dir gesagt hat, als er dir das Ei gegeben hat.«
    »Eigentlich nichts Besonderes   … nur, dass es eine große Ehre wäre. Oh, und er hat
sie
gesagt, dass
sie
mir ein Ei schenken will   … eins von dreien.« Er schaute zu Reva auf.
    Reva legte die Hände zusammen und senkte den Kopf. So stand sie, die Fingerspitzen zwischen die narbenumrankten, geschlossenen Augen gelegt, und dachte nach. Lange. Babu begann sich zwischen den beiden bewegungslosen Gestalten unwohl zu fühlen.
    Reva hob den Kopf, ließ die Arme sinken.
    »Ich komme zu keinem Ergebnis. Ich kann die Zeichen nicht deuten. Wir müssen nach Wiatraïn   – und zwar so schnell wie möglich.«
    Babu sprang auf.
    »Also gibt es einen Weg? Ich werde Juhut wiederbekommen?«
    »Was denkst du dir eigentlich?«, fuhr sie ihn an, eine Welle der Entrüstung, hoch und urplötzlich. »Dass man den Falken einfangen kann wie einen entlaufenen Hund? Du kannst ihn nicht wiederbekommen

er hat dir nie gehört.
Sondern du ihm!
«
    Babu wusste sofort, dass das die Wahrheit war. Er musste sich wieder setzen.
    »Babu, nicht Asshan hat dir das Ei gegeben, sondern die Szasla, die ihn führt. Es war ihr Wille, ihre Entscheidung. Es ist nie anders gewesen   – oder kennst du einen Schüler, der seinen Meister lehrt? Ein Szasran, der Falkner einer Szasla, ist ein
Werkzeug
, ein Sprachrohr. Ein mächtiges Werkzeug jedoch, und was ein Szasran ausspricht, kann weltbewegend sein. Aber ein
Ei
… das ist ungeheuerlich.«
    Die Welle verebbte, Reva wurde wieder ruhig.
    In Babus Kopf rannten Erinnerungen, Gedanken, Gesprächsfetzen durcheinander wie panische Kafur.
Schleier werden fallen, der Jäger wird der Beute folgen, nichts ist ohne Sinn, hüte es gut, ein ungeheuerliches Geschenk.
Der bohrende Blick aus goldenem, lidlosem Auge. Der erste Flug, ein zitterndes Pony. Ein Ruf, eine Antwort, ein wolkenverhangener Himmel, eine Sehnsucht. Dunkelheit und Regen, das Gefühl warmer, weicher Daunen zwischen den Fingern, Trost. Ein hoher Bogen aus Stein, ein Wind, ein Abschied   … Babu war nicht verlassen, er war
zurückgelassen
worden. Weil er zu schwach war. Weil er ein nutzloses Werkzeug war.
    Dem inneren Chaos stand eine äußere Lähmung gegenüber. Babu war kaum fähig zu atmen, geschweige denn zu sprechen oder Fragen zu stellen. Das tat Reva: »Warum, glaubst du, mache ich mir die Mühe, dir, einem unreifen, von seinen Gefühlen hin und her gerissenen Rinderhirten, die Welt zu erklären?«
    Babu zuckte die Achseln, zu mehr war er nicht in der Lage.
    »Weil jemand, der einen besseren Überblick hat als ich, der versteht,
wirklich
versteht, was hier vor sich geht, offensichtlich entschieden hat, dass du es wert bist, Babu.«
    Sie lächelte und Erleichterung überflutete ihn. Er war in zu kurzer Zeit von zu vielen sich widerstreitenden Gefühlen überwältigt worden und fühlte sich zerschunden. Revas Lächeln war wie ein Bad, das Linderung versprach.
    »Ich muss dich um Verzeihung bitten, Babu, ich bin von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Ich wusste nicht, dass diese Szasla, dass Juhut
nicht
aus Wiatraïn stammt. Sondern dass er hier, zwischen den Menschen, auf dem Kontinent, zur Welt gekommen ist. Er ist nicht erwacht, denn er hat nie geschlafen   … Das konnte ich nicht ahnen. Etwas Derartiges ist nie zuvor geschehen, denn ich kann mich nicht daran erinnernund meine Erinnerung reicht weit   … Das ist wahrhaftig eine Zeitenwende.«
    »Wie meint Ihr das?«
    »Ich meine, dass die Menschheit abermals vor dem Abgrund steht. Und zwar näher, viel näher als befürchtet.« Sie legte eine Hand auf den gläsernen Anhänger der Kette um ihren Hals. »
Wasser sinkt. Wasser steht. Wasser schweigt
«, murmelte sie und ihr Blick wurde trüb, die hellen Augen dunkler. Sie ließ die Hand sinken und fuhr fort: »Die Szaslas sind geflogen, damals, als die Alte Zeit sich dem Ende zuneigte und die Menschheit kurz

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