Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
Vom Netzwerk:
ist.« Er zog das Seil heraus, warf es aus. »Glück im Unglück, das dürfte reichen.«
    Er fingerte an den Schnallen seines Brustpanzers, stöhnte auf vor Ärger, zerrte an den Lederbinden, bis er Daumen und Zeigefinger frei hatte. »Du hast wohl in deinem Leben nur Bandagen für Pferde gemacht, was?«
    »Ponys«, sagte Babu.
    Felt versuchte, die freigelegten Finger zu bewegen. Viel Kraft hatte er nicht darin. Er rollte das Seil auf, hing es Babu um.
    »Und jetzt rauf da. Ich sage dir, wie du greifen sollst. Das Wichtigste ist, dass du deinen ganzen Körper in Spannung hältst. Und schmieg dich an die Wand wie an dein Mädchen, fest, verstehst du?«
    Babu nickte.
    »Gib mir die Hand. Die linke!«
    Babu schlug ein.
    »Drück zu. Gut so. Denk an das, was Reva gesagt hat: Wir sollen uns bewusst werden, wer wir sind   …«
    »…   und was wir tun«, vervollständigte Babu.
    Sie spürten beide die Berührung: als würde sich eine dritte Hand auf die ihren legen. Felt biss die Zähne zusammen.
    »Los jetzt. Denk nicht nach, tu, was ich sage. Nimm die Kraft aus den Beinen.«
     
    Es war so, wie Felt es sich erhofft hatte. Babu war zwar nicht der geborene Kletterer, aber er war ein Reiter, er hatte Kraft in den Schenkeln und ein gutes Gleichgewicht. Und er hatte ein Ziel   – Reva hatte recht gehabt: Es zog Babu zum Falken. Am Beginn des Überhangs bekam er aber doch Probleme.
    »Ich sehe es von hier«, rief Felt. »Voraus, über der linken Schulter.«
    »Da komm ich nicht hin!«
    »Doch. Du musst dich kräftig abstoßen. Du musst dich lösen. Kurz. Du musst dich hochbringen. Und zupacken genau in dem Moment, bevor es dich wieder runterzieht.«
    Im toten Punkt zu klettern war nicht gerade eine Anfängerübung. Es kostete Überwindung. Babu versuchte es. Er fand den Griff, aber nun hing er an einem Arm und pendelte.
    »Kneif deinen verdammten Hintern zusammen! Schwing dich drunter! Hak dich mit den Fersen ein! Na also!«
    Babu klebte unter dem Überhang wie eine Fliege an der Decke. Im Schatten des Vorsprungs konnte Felt keine Griffmöglichkeiten für Babu mehr erkennen, das musste er nun allein machen. Er konnte ihm nur noch Mut zusprechen, zurück ging es nicht mehr, entweder weiter oder fallen.
    »Babu, glaub an deine Hände. Deine Finger halten dich!«
    Es war nicht der beste Rat gewesen, denn Babu versuchte nun nicht einmal mehr, mit den Füßen Halt zu finden, er hangelte. Das konnte man machen, aber in einem Geäst, nicht unter Stein. Felt hielt den Atem an, Babu hatte die Kante erreicht. Aber nun würde er übergreifen müssen. Diese Kraft hatte er nicht.
Tothängen
, schoss es Felt durch den Kopf. Babus Arme waren lang ausgestreckt, er trat die Luft.
    Aber die Luft bot ihm Widerstand. Es sah zumindest so aus. Babus Fuß fand Halt in einem unsichtbaren Steigbügel, mit Schwung warf er sich über die Kante und war aus Felts Blickfeld verschwunden.
    »Alles klar?«, rief Felt nach oben.
    Zur Antwort kam das Seil. Dann Babus Kopf.
    »Kannst du es festmachen?«
    Babus Kopf verschwand kurz. »Dann reicht es nicht mehr.«
    Felt schnappte sich das Seilende, versuchte die Tasche anzuknoten, fluchte, die verbundene Hand behinderte ihn, er biss in den Strick, zog, fluchte wieder, spuckte Blut. Sein loser Eckzahn hatte sich endgültig verabschiedet.
    »Was ist?«, rief Babu von oben.
    »Nichts. Zieh!«
     
    Als Letztes hatte Felt Anda nach oben geschickt. Jetzt stand er unbewaffnet, ohne Rüstung und wie zuvor Babu barfuß vorder Wand und ging im Geist die Griffe durch. Er war größer als der Merzer, er konnte weiter reichen   – aber er hatte nur eine brauchbare Hand. Felt krümmte den rechten Zeigefinger.
    Hoch kam er schnell und leicht, es war fast wie früher, als er mit Marken geklettert war und dem Freund nicht ein Mal den Sieg gegönnt hatte. Marken hatte es ihm nie übel genommen. Er hatte »Zweiter« gekeucht; Felt hatte seine Hand gepackt und gezogen; dann hatten sie die Aussicht genossen. Sie hatten ihr Leben geliebt in diesen Momenten, genau so, wie es war. Sie waren jung gewesen.
    Im Überhang musste Felt langsamer machen. Er klemmte seine Zehen ein, er spürte, wie er sich die Haut abschürfte. Er stellte sich seinen Zeigefinger als einen stählernen Haken vor. Er fühlte die Zahnlücke, schmeckte sein Blut, schluckte es herunter. Er schlug den Fingerhaken ein. Er hängte seinen Körper daran. Er tastete mit der Linken, es gab nichts zu greifen. Sein ganzes Gewicht hing an nur einem Finger. Felt zog die

Weitere Kostenlose Bücher