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Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Zwölf Wasser Zu den Anfängen

Titel: Zwölf Wasser Zu den Anfängen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Greiff
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die Haare aufstellte. Was war das? Babus Augen waren weit geöffnet, er starrte auf Reva.
     
    Sie war nicht gebrochen und auch nicht gestürzt. Ihr Oberkörper war nun leicht nach vorne gebeugt, sie stand da, mit hängenden Armen und Schultern, Kinn auf die Brust gesenkt. Die Narben auf ihrem kahlen Schädel glühten weiß. Dann, mit einer schnellen, fließenden Bewegung, sackte sie zusammen. Aber sie bewegte sich nicht selbst, sie wurde rasch, aber sanft gefaltet: die Hände gegeneinander, an die Schulter, Wange darauf. Knie geknickt, Beine angezogen, Füße weg vom Boden, Körper gekippt. Innerhalb eines Atemzugs lag sie zusammengerollt wie ein schlafendes Kätzchen auf der Seite und schwebte dabei in der Luft.
    Felt machte einen Satz nach vorn. Aber er bekam sie nicht mehr zu fassen, sie wurde aus seiner Reichweite gehoben. Mit einem langsamen Drehen, wie gefangen in einer unsichtbaren Kugel, stieg Reva auf in den Nachthimmel über Wiatraïn und ließ ihre entgeisterten Begleiter unter der Steinwelle zurück.
     
    Felt maß mit schnellen Schritten ihr Gefängnis ab. Trat bis an den Rand der Steinzunge, blickte in den Berst. Drehte sich um, blickte auf die Wand. Ungefähr fünf Mann hoch. Ging weiter, blieb dicht vor der Wand stehen, fuhr mit den Fingern über den Stein. Legte den Kopf in den Nacken, sagte: »Wir müssen klettern.«
    »Klettern?«
    »Ja, klettern. Der Überhang ist nicht besonders groß unddort oben scheint mir der Stein weniger glatt zu sein. Soweit ich das bei diesem Licht erkennen kann. Es wird gehen, ich habe schon Schlimmeres gesehen.«
    »Felt, ich kann nicht klettern. Ich bin in meinem Leben noch nicht geklettert. Nicht richtig. Nicht so.«
    Er packte Babu beim Kragen. »Dann ist es heute das erste Mal. Reva ist irgendwo dort oben. Und dein Falke auch, oder? Ich werde mich von dieser Wand nicht aufhalten lassen.« Er ließ ihn los. Babu zog an seiner Weste, schaute auf.
    »Da können wir nicht raufkommen.«
    »O doch«, sagte Felt grimmig und versuchte sein Schwert zu ziehen. Er trug es noch wie gewohnt links und mit der linken Hand bekam er es kaum aus der Scheide. Babu half ihm.
    »Was hast du vor?«
    Felt versetzte einer Steinrippe einen kräftigen Hieb. Der Stahl schrie auf, Steinsplitter spritzten ihm gegen den Brustschutz. Felt klemmte sich Anda unter die Achsel, prüfte die Kerbe, krallte seine Finger hinein. Dann nahm er erneut Maß. Diesmal schlug er höher.
    »Jetzt du. Los, auf meine Schultern. Und schlag versetzt, dort, und so fest du kannst. Warte. Bind mir erst diese verdammte Hand los.«
    Babu löste Felts Arm aus der Schlinge, kletterte ihm auf die Schultern, saß schließlich, schlug mit dem Schwert gegen den Fels. Steinbröckchen rieselten Felt auf den Helm. Er machte einen Schritt, Babu schlug nochmals. Dann stellte er sich   – die Schulterstücke drückten sich schmerzhaft in Felts Fleisch   –, hieb noch ein paar Mal und sprang dann herunter. Felt atmete auf.
    »Ein fantastisches Schwert«, sagte Babu ehrfürchtig.
    »Ich weiß. Steck es zurück.«
    »Ich habe immer noch keine Ahnung, wie ich da hochkommen soll.«
    »Babu, als ich in deinem Alter war, bin ich solche Wände raufgerannt, das war Teil meiner Ausbildung. Es war als Schinderei gedacht, man hat uns die Berge hochgehetzt, wir mussten springen wie die Nukks. Nun, das ist eine Zeit her. Und ich hatte zwei Hände. Das wird auch für mich nicht leicht. Du kannst das schaffen, du musst mir nur vertrauen.«
    Babu nickte kurz. Er schien nicht überzeugt. Eine einzelne lange Haarsträhne löste sich, stand Babu waagrecht vom Kopf ab und wurde gezwirbelt, um einen unsichtbaren, aber sehr langen Finger gewickelt. Felt erstarrte. Auch Babu rührte sich nicht, doch seine Hand tastete nach dem Dolch im Gürtel. In einer blitzschnellen Drehung zog er gleichzeitig den Kopf weg und fuhr mit dem Dolch durch die Luft. Seine abgeschnittenen Haare fielen zu Boden.
    Das Echo eines leisen Lachens umwehte sie.
    »Das gefällt mir nicht«, flüsterte Felt, dann rief er laut: »Wer bist du?«
    Keine Antwort, aber das Gefühl einer Anwesenheit, die zwischen den Männern hindurchhuschte. Beide spähten angestrengt in die mondhelle Nacht.
    »Was auch immer uns hier umschleicht«, sagte Babu leise und schluckte, »ich will nicht, dass es mich auch mitnimmt.«
    »Dann sollten wir uns beeilen. Stiefel aus. Los, mach schon, zieh deine Stiefel aus. Und auch den Handschuh.«
    Felt wühlte in der Tasche.
    »Hoffen wir, dass es lang genug

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