Zwölf Wasser
sagte Babu kalt. »Und ich muss leider feststellen: Ihr seid nicht sehr freundlich.«
Der Mann gurgelte hilflos und verdrehte die dunklen Augen. Er hatte den Mund weit geöffnet und Babu konnte die Spitze des Asts im blutigen Rachenraum glimmen sehen. Sie hätte nicht mehr glühen dürfen, sondern sollte eigentlich vom Blut gelöscht worden sein. Aber dann schien sich sogar die ganze Mundhöhle des Mannes mit Glut zu füllen; Babu spürte die Hitze, die ihm entgegenschlug, und sah das unwirkliche Leuchten. Mit einem erstickten Schrei kippte der Mann nach hinten und Babu zog den Ast heraus, warf ihn ins Feuer, das hell aufloderte. Gebannt und voller Angst starrten die Männer auf ihren Freund, der sich, beide Hände an Kinn und Kehle gepresst, im kalten Schlamm des aufgetauten Bodens neben dem Lagerfeuer wand. Babu erinnerte sich an Jator. Aber dies hier war nicht Jator, dieser Mann hatte ihn tatsächlich mit blanker Klinge angegriffen. Jator dagegen hatte nur so getan, er hatte einen Stein in der Faust gehalten, er war sein Freund gewesen. Der hier nicht. Babu spürte keine Reue.
Die Bewegungen des Mannes wurden langsamer, sein röchelndes Jammern leiser. Starb er? Nein, Babu glaubte es nicht. Er streckte die Hand aus. Wie unter einem besänftigenden Zauber wurde der Mann ganz ruhig, nahm die Hände von Kinn und Hals. Er ergriff Babus Hand und ließ sich aufhelfen. Sein Gesichtsausdruck hatte sich völlig verändert: Tiefste Bewunderung glomm nun in den Augen, der blutverschmierte Mund stand staunend offen. Die anderen drei Männer wichen zurück – das Ganze wurde ihnen zu unheimlich. Das anschwellende Grollen des Wolfs ließ sie eng zusammenrücken.
»Ihr seid … Ihr könnt …«, stammelte der Mann mit belegter Stimme und schwerer, von der Verletzung anschwellender Zunge. Er wies auf Babus Stirn, wo die Narbe rot über der Erhebung leuchtete. Dann wandte er sich seinen Kameraden zu, die nur noch das Knurren des Wolfs davon abhielt, vor Grausen schreiend in die Nacht zu rennen.
»M-müsst keine Angst haben … aber solltet ihn fürchten!« Er schluckte, er lallte, schien aber keinen Schmerz zu fühlen. Seine Augen waren groß und starrten Babu mit einer solchen Verzückung an, dass man sich fragen musste, was er in ihm sah. Mit gurgelnder Begeisterung sprach er weiter: »Dieser Mann … ein wahrer Adept! Es gibt sie noch … die Kundigen, die Syllenks! An der ausgestreckten Hand … so! … hat mich übers F-feuer gehalten, ich hatte … Tod vor Augen. Aber dann … mich verschont … mich errettet …« Er brach ab, spuckte dunkles Blut und lächelte dabei so selig, dass es selbst Babu zu viel wurde.
»Wie ist dein Name?«, fragte er streng.
»Olph… Olphrar mein Name. Wie … Eurer, Herr?«
Babu zögerte einen Augenblick. Sah in das wie irrsinnig strahlende Gesicht des Verletzten, drehte sich zu dessen eingeschüchterten Kameraden um. Die Männer waren noch recht jung, nicht viel älter als er selbst. Ob sie aus diesem Gaspenstammten? Es spielte keine große Rolle. Denn von nun an waren es seine Männer.
»Du darfst mich Badak-An nennen, Olphrar«, sagte er, ohne ihn anzusehen. »Und ihr, kümmert euch um ihn, verbindet ihn, gebt ihm zu trinken, und zwar ordentlich. Und versorgt auch mein Pferd. Aber leise, ich bin weit gereist und muss nun ruhen. Um eine Nachtwache braucht ihr euch nicht kümmern – die übernimmt mein Hund. Gib gut auf uns acht, Luksir, hörst du? Gib gut acht.«
13
Badak-An, was so viel hieß wie erster Glanz oder erster Schimmer und das flimmernde, noch nicht erkennbare Bild eines entfernten Ponys, Kafurs oder eines Reiters im sonnendurchfluteten Grasland des Langen Tals beschrieb, war nach kurzem, tiefem Schlaf früh auf den Beinen. Seine Mutter hatte ihm den Namen Badak-An gegeben, denn sie hatte nicht wie die anderen Mütter des Langen Tals im Gesicht ihres neugeborenen Sohnes dessen Lebensweg bereits vorausahnen können. So war sein Name unbestimmt geblieben und Badak-An musste allein herausfinden, wer er war. Er griff sich einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen; einer der Männer beobachtete ihn dabei, sagte aber nichts und blieb liegen. Im Morgendunst, der vom Fluss herüberkroch, saß der Wolf reglos wie ein Standbild.
»Bleib«, sagte Badak-An zu ihm und entfernte sich vom Lager, den Fluss und den beginnenden Tag im Rücken.
Das Land erhob sich in der noch nachtblauen Ferne zu einer Hügelkette, undeutlich waren dunklere Flecken kleiner Wäldchen oder
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