Zwölf Wasser
ihn an Jator. Daran, wie er und seine Vettern am frühen Morgen das Zeltlager der Nogaiyer überfallen hatten. Vielleicht waren es nur die gespannten Bögen der Reiter, die Pfeilspitzen, die auf ihn und Luksir zeigten. Hier war kein Juhut mehr, der schwirrende Pfeile abfangen konnte. Hier waren nur abermals Feindschaft und Misstrauen, die Badak-An entgegenschlugen. Er sprang aus dem Sattel.
»Setz dich und bleib«, sagte er zum Wolf.
Olphrar machte ein paar taumelnde Schritte auf ihn zu, er lächelte irr und glühte im Fieber. Das dunkle, getrocknete Blut an Kinn und Hals sah aus wie ein schauriger Bart. Sie hatten ihren Kameraden mehr als dürftig versorgt.
»Herr, mein Bruder … ist a-angekommen. Phrigol … sein Name. Er glaubt nicht, will nicht glauben …«
»Was will er nicht glauben?«
»Olphrar behauptet, du bist ein Syllenk « , sagte Phrigol und kniff die Augen zusammen. Er war der ältere der beiden. Das Tuch um seinen Kopf war zerschlissen und schmutzig. »Einer, der mit dem Feuer sprechen und mit seinen Gedanken sehen kann.«
Badak-An spürte, wie der andere auf seine Stirn starrte. »So. Und du glaubst das ganz offensichtlich nicht.«
Phrigol lachte hämisch auf; zwei Vorderzähne glänzten golden. Er drehte sich zu seinen Männern um, die wie auf Befehl ebenfalls zu grinsen anfingen. Kein schöner Anblick. Diese Männer lachten nicht aus Herzlichkeit oder aus Freude – niemals. Badak-An spürte die Brutalität der Fremden so deutlich, wie man einen Geruch wahrnimmt oder ein Geräusch. Er musste auf der Hut sein; diese hier waren von einem andern Schlag als Jators Vettern.
Er schloss die Augen, als wolle er sich kurz besinnen.
Und er sah Phrigol in Flammen stehen wie eine menschliche Fackel.
Badak-An öffnete die Lider wieder, lächelte mild und streckte eine Hand nach Olphrar aus, fürsorglich, helfend, und der Kranke nahm sie. Seine Finger waren glühend heiß, das Fieber war weiter gestiegen und nun lebensbedrohlich. Badak-An fühlte, wie die Hitze von Olphrars Hand in seine überging, den Arm hinauflief und sich dann gleichsam in seine Brust ergoss. Es war schmerzhaft und beängstigend, aber auch so, als würde er von einer großen Kraft durchströmt. Er hielt den fiebernden Olphrar weiter fest, bückte sich, streckte die andere Hand nach einem angekohlten, aber erkalteten Ast aus und berührte ihn kurz. Beinahe augenblicklich entzündete sich der Ast und wenig später brannte das Lagerfeuer wieder lichterloh. Badak-An richtete sich wieder auf und noch immer mild lächelnd wandteer sich nun zu Phrigol, dessen Augen sich vor Staunen geweitet hatten.
Und dann packte er zu. Griff mit einer schnellen Bewegung Phrigols Handgelenk und hielt ihn fest. Nun stand Badak-An zwischen den Brüdern, hatte jeden an einer Hand, und die Hitze, das glühende Fieber, floss durch ihn hindurch. Auf Phrigols Oberlippe erschienen Schweißperlen und er stöhnte.
»Sie sollen die Bögen herunternehmen«, sagte Badak-An leise drohend. »Oder ihr Anführer zerfällt zu einem Häufchen Asche, hier, vor ihren Augen.«
Phrigol schrie auf, Badak-An hörte das Zischen und roch verbrannte Haut.
» Waffen runter «, kreischte Phrigol, krümmte sich vor Schmerzen, konnte sich aber nicht aus der glühenden Fessel um sein Handgelenk herauswinden.
Badak-An ließ los. Beide Männer rechts und links von ihm sackten zusammen. Luksir umkreiste die Gruppe der zehn Reiter mit federndem Tritt. Gestern hatte Badak-An vier Männer gehabt. Heute waren es bereits fünfzehn. Es waren nur noch wenige Tage und dieses Solder wäre zu Ende. Er begann zu verstehen, was es hieß, Macht zu erlangen.
15
»Aber ich kenne mich aus hier im Süden«, protestierte Helgend und reichte die Ölflaschen an einen jungen Fischer weiter, der sie an eine rundliche Frau gab. Sie waren am Hafen und entluden Teleias Boot, denn Felt wollte weiter, sofort. »Ich kenne auch überall Leute; wichtige Leute, die uns vielleicht helfen könnten … Ach, was ich weiß, wen ich kenne – das alles spielt wohl kaum noch eine Rolle.«
Er drehte sich weg, trat aus der Reihe und unterbrach so die Kette. Felt achtete nicht auf ihn. Teleia hatte ihnen aufgetragen, Brot und Öl zu verschenken, ein letztes Mal – und das taten sie nun. Die Hüterin hatte nichts Näheres wissen wollen vom Dämon und vom Abgrund, in den der Kontinent zu stürzen drohte. Sie hatte gesagt: Ich weiß alles, was ich wissen muss. Solange die Sedrowes mir ihre Früchte schenken, so
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