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Zwölfender

Zwölfender

Titel: Zwölfender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Schröder
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sah ihm nicht ähnlich. Ich tröstete mich damit, dass er sich bald melden und mir erklären würde, was ihm dazwischengekommen war.
    Die Tatsache, dass meine Reise einen so dürftigen Abschluss fand, hätte zumindest einen Anflug von Vorfreude auf zu Hause auslösen können. Stattdessen weckte die Vorstellung, wieder in Frankfurt zu sein, Aaron, unsere Freunde und meine Mutter wiederzusehen, eine merkwürdige Assoziation: Ich malte mir aus, wie ich einen grauen Recycling-Umschlag öffnete, der ein Anschreiben enthielt, in dem man mich über säumige Mitgliedsbeiträge informierte und darüber, dass das Nichtbegleichen der offenen Summe bis zum x-ten des Monats als Austrittserklärung aufgefasst werden würde. Kein Absender, keine Kontonummer, keine Bezifferung des Betrages.

19
    Wir landeten mit wenig Verspätung in Frankfurt. Als Aaron mich in die Arme schloss, vergoss ich ein paar Tränen. Vermutlich war es eine Mischung aus Erschöpfung und Erleichterung. Meine Befürchtung, dass er oder ich oder wir beide zögern könnten, dass wir allzu vorsichtig aufeinander zugehen, einander nur flüchtig mit einer Hand am Arm berühren und dann, ein paar förmliche Worte wechselnd, zum Auto gehen würden, löste sich in Wohlgefallen auf. Jetzt war es gut, wieder hier zu sein.
    Wir fuhren zu meiner Wohnung. Ich nahm eine Dusche.
    Als ich aus dem Badezimmer herauskam, zog er mich aufs Bett. Abends gingen wir in die Pizzeria um die Ecke und flachsten mit den Kellnern. Nach dem Essen und zwei Gläsern Rotwein sehnte ich mich nach Schlaf.
    Allein in meiner Wohnung schaute ich die Post durch und schaltete den Rechner ein, um nachzusehen, ob Robert sich gemeldet hatte. Keine Nachricht von ihm. Zu müde für alles andere schickte ich ihm nur ein Fragezeichen und einen Gruß.
     
    Eine freie Woche lag vor mir.
    Den Montag verbrachte ich mit ein paar Besorgungen. Ich füllte meinen Kühlschrank auf und kochte abends für Aaron und mich. Am Dienstag ging ich schwimmen, aß mittags in der Stadt und trank unten im Haus einen Espresso. Mich bei jemandem aus meinem Freundeskreis zurückzumelden, schob ich vor mir her.
    Schon Aaron gegenüber vermied ich es, Näheres von meiner Reise zu berichten. Weder hätte ich es fertiggebracht, meine Begegnungen mit Robert, Rosa, Merce und den anderen in Anekdoten zu verpacken, noch hätte ich ausdrücken können, warum sie weit mehr für mich waren als Reisebekanntschaften.
     
    Meine anfängliche Freude darüber, wieder zu Hause zu sein, wich allmählich dem beunruhigenden Gefühl, dass zwar alles noch an seinem Platz war, aber nicht mehr zu mir gehörte. Vor meiner Abreise hatte ich jeden einzelnen Gegenstand in meiner Wohnung in die Hand genommen und die meisten von ihnen weggeworfen. Das wenige, das jetzt noch da war, musste mir also wirklich etwas bedeutet haben. Doch so sehr ich mich auch anstrengte: Es wollte sich zu keinem Ding mehr ein Gefühl einstellen. Als noch beunruhigender empfand ich die Feststellung, dass mir die Namen meiner Freunde nicht auf Anhieb einfielen.
     
    Aaron und meine Arbeit erschienen mir als die letzten verlässlichen Koordinaten. Wenn ich mich wieder zurechtfinden wollte, musste ich mich an ihnen orientieren, und so beschloss ich am Mittwoch, früher als geplant, in die Restaurierung einzusteigen.
     
    Ich fuhr zur Baustelle und kletterte das Gerüst hoch. Auf der obersten Standfläche – ein wohlvertrautes Bild: Auf einem kleinen Tisch lagen Werkzeuge, Farben, Pinsel und Watte. Es roch nach Lösungsmitteln, das Radio dudelte. Meine Kolleginnen waren in ihre Arbeit vertieft.
    Sie empfingen mich herzlich, erkundigten sich nach meiner Reise, erzählten mir von den üblichen Querelen mit dem Denkmalamt und zeigten mir, wie weit sie bis jetzt gekommen waren. Wenig später stand ich neben ihnen vor der Wand und löste mit dem Skalpell kleine Farbschollen von einem in die Fläche eingelassenen Stuckrelief.
    Es zeigte Mneme, die Muse der Erinnerung.
     
    In den darauffolgenden Wochen warf ich mich in meine Aufgabe. Auch an den Wochenenden hielt es mich nicht zu Hause. Ich genoss es, allein auf dem Gerüst zu stehen und mich in die von einer Baulampe beleuchteten Details der Wandgestaltung zu versenken.
    Jeden Abend hoffte ich auf eine Nachricht von Robert, jeden Abend entsorgte ich einen weiteren Gegenstand aus meiner Wohnung.

20
    Am 14 . Juli, knapp drei Wochen nach meiner Rückkehr, war ich abends mit Aaron zu einem Konzertbesuch verabredet. Nach der Arbeit fuhr ich

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