Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
daß sie auf dem Wasser schwammen. Das Dock war so groß, daß es mehreren Behausungen Platz bot, die auf ähnliche Weise errichtet waren wie die unter dem Sandstein-Überhang, und außerdem noch freier Raum vorhanden war. Auf einer Sandsteinplatte brannte ein Feuer.
Mehrere Boote von der Art, wie sie bereits weiter flußabwärts gesehen hatte - lang und schmal und vom und hinten spitz zulaufend -, waren an dem schwimmenden Gebilde festge-macht. Ihre Größe war unterschiedlich, und keine zwei Boote waren einander völlig gleich; es gab welche, die gerade einer Person Platz boten, und andere mit mehreren Sitzplätzen.
Als sie sich umschaute, entdeckte sie zwei sehr große Boote, die sie verblüfften. Der Bug ragte hoch auf und lief in den Kopf eines merkwürdigen Vogels aus; außerdem waren die Boote mit geometrischen Mustern bemalt, die an Federn erinnerten. Nahe der Wasserlinie waren Augen aufgemalt, und beim größten Boot war der mittlere Teil mit einer Maske überdacht. Als sie Jondalar ansah, um ihrer Bewunderung Ausdruck zu geben, stellte sie fest, daß er die Augen geschlossen hatte; auf seinem Gesicht lag ein gequälter Ausdruck, und ihr wurde klar, daß das große Boot etwas mit seinem Bruder zu tun haben mußte.
Aber beiden blieb nicht viel Zeit zum Bewundern oder Erinnern. Die Leute brannten darauf, den Besuchern ihre erstaunlichen Boote und ihre Geschicklichkeit im Umgang mit ihnen vorzuführen. Ayla sah, wie sie auf einer leiterähnlichen Konstruktion entlangliefen, die das Dock mit dem Boot verband. Als man sie zu ihrem Ende hindrängte, begriff sie, daß sie ihrem Beispiel folgen sollte. Die meisten bewegten sich mühelos auf der Laufplanke, ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten, obwohl sich das Dock und das Boot ständig gegeneinander verschoben, aber Ayla war dankbar für die Hand, die Carlono ihr entgegenstreckte.
Sie saß zwischen Markeno und Jondalar auf einer Bank, die ohne weiteres auch mehr Leuten Platz geboten hätte. Andere Leute saßen auf Bänken vorn und achtern, und etliche von ihnen hatten zu sehr langen Paddeln gegriffen. Bevor sie recht wußte, was geschah, hatten sie die Leinen losgemacht und befanden sich in der Mitte des Stroms.
Carlonos Schwester Carolio, die im Bug des Bootes saß, begann mit einem rhythmischen Gesang, der das Rauschen des Flusse übertönte. Ayla beobachtete fasziniert, wie die Ruderer gegen die starke Strömung anpaddelten, und zwar in Übereinstimmung mit dem Rhythmus des Gesanges, und bemerkte verblüfft, wie schnell und glatt sie stromaufwärts getrieben wurden.
An einer Biegung des Flusses wurde die Schlucht enger. Zwischen den steil aufragenden Felswänden war das Tosen des Wassers lauter und machtvoller. Ayla spürte, daß die Luft kühler und feuchter geworden war, und sie genoß den nassen, sauberen Geruch des Flusses, der so anders war als der heiße, trockene Duft der Ebenen.
Als sich die Schlucht wieder ausweitete, standen an beiden Seiten Bäume, die bis ans Ufer heranreichten. "Diese Gegend kommt mir bekannt vor", sagte Jondalar. "Liegt vor uns nicht der Bootsbauplatz? Legen wir dort an?"
"Diesmal nicht. Wir fahren weiter und wenden bei Halbfisch."
"Halbfisch?" fragte Ayla. "Was ist das?"
Ein vor ihr sitzender Mann drehte sich um und grinste. Ayla erinnerte sich, daß er Carolios Gefährte war. "Das solltest du ihn fragen", sagte er und wies auf Jondalar, der vor Verlegenheit errötete. "Das ist die Stelle, an der er ein halber Ramudoi-Mann wurde. Hat er dir das nicht erzählt?" Mehrere Leute lachten.
"Warum erzählst du es nicht. Barono?" sagte Jondalar. "Ich bin sicher, es wäre nicht das erste Mal."
"Das stimmt", sagte Markeno. "Es ist eine von Baronos Lieblingsgeschichten. Carolio sagt, sie hängt ihr zum Hals heraus, aber er kann es einfach nicht lassen. Er muß eine gute Geschichte erzählen, auch wenn er es schon oft genug getan hat."
"Nun, du mußt zugeben, daß es komisch war, Jondalar", sagte Barono. "Aber du solltest die Sache selber erzählen."
Jondalar mußte unwillkürlich lächeln. "Für alle anderen mag es vielleicht komisch gewesen sein." Ayla betrachtete ihn mit einem fragenden Lächeln. "Ich lernte gerade, mit den kleinen Booten umzugehen", begann er. "Ich hatte eine Harpune bei mir und machte mich auf den Weg flußaufwärts, und dann stellte ich fest, daß die Störe unterwegs waren. Ich dachte, das wäre meine Chance, meinen ersten zu fangen. Aber ich dachte nicht daran, wie ich es schaffen würde, einen so
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