Zyklus der Erdenkinder 04 - Ayla und das Tal der Grossen Mutter
Bergwiesen kalt wurde. Eine neue Jahreszeit war angebrochen. Sie hatten noch einen langen Weg vor sich und mußten an ihren Aufbruch denken.
Sie hatten nicht eigentlich miteinander gestritten, doch Ayla hatte angedeutet, daß sie noch nicht gehen wollte. Sie sprach über Rosharios Arm; aber er wußte, daß sie Gemsen jagen wollte. Ja, sie wollte überhaupt bei den Sharamudoi bleiben, und er fragte sich, ob sie nicht ihren Aufbruch zu verzögern suchte, weil sie hoffte, ihn umstimmen zu können. Sie hatte bereits mit Tholie eine feste Freundschaft geschlossen, und jeder schien sie zu mögen. Es freute ihn, daß sie so gut aufgenommen worden war; doch das machte den Abschied nur noch schmerzlicher, und je länger sie blieben, desto schwerer würde es für sie sein.
Er hatte noch lange wachgelegen und nachgedacht. Er fragte sich, ob sie nicht um ihretwegen bleiben sollten, aber dann hätten sie auch bei den Mamutoi bleiben können. Endlich gelangte er zu dem Schluß, daß sie so schnell wie möglich abreisen sollten, innerhalb der nächsten ein, zwei Tage. Er wußte, daß Ayla darüber nicht glücklich sein würde, und überlegte, wie er es ihr sagen sollte.
Er stand auf, zog seine Beinlinge an und verließ die Schlafstätte. Er schob die Fellplane am Eingang beiseite, und als er hinaustrat, spürte er den scharfen, kalten Wind auf der bloßen Brust. Er brauchte wärmere Kleidung, dachte er, als er auf den Platz zuschritt, an dem die Männer morgens ihr Wasser abschlugen. Statt der bunten Schmetterlinge, die sonst in der Nähe umherflatterten - er hatte sich immer gefragt, warum sie
von dem strengen Geruch des Ortes so angezogen wurden -, bemerkte er plötzlich ein welkes Blatt, das langsam zu Boden fiel, und dann sah er, daß die meisten Bäume begonnen hatten, sich zu verfärben.
Warum war ihm das nicht schon früher aufgefallen? Die Tage waren so schnell verflogen und das Wetter war so mild gewesen, daß er den Wechsel der Jahreszeiten nicht bemerkt hatte. Und plötzlich fiel ihm ein, daß sie sich in einer südlichen Region des Landes aufhielten. Der Herbst war schon weiter fortgeschritten, als er dachte, und im Norden, im Land, dem sie zustrebten, war es wahrscheinlich schon viel kälter. Als er in die Wohnstätte zurückging, war er mehr denn je entschlossen, so bald wie möglich aufzubrechen.
"Du bist schon wach", sagte Ayla, die mit Darvalo eintrat, als Jondalar sich ankleidete. "Ich wollte dich holen, bevor wir das Frühstück abräumen."
"Ich habe mir nur etwas Warmes angezogen. Es ist kalt draußen", sagte er. "Es wird Zeit, daß ich meinen Bart wieder wachsen lasse."
Ayla wußte, daß er ihr mehr mitteilen wollte, als seine Worte sagten. Er sprach immer noch von dem, was sie am Abend zuvor gesprochen hatten. Die Jahreszeit wechselte, und sie mußten sich auf den Weg machen. Sie wollte nicht darüber reden.
"Wir sollten unsere Wintersachen auspacken und nachsehen, ob sie in Ordnung sind, Ayla. Sind die Packkörbe noch bei Dolando?" sagte er.
Er weiß, daß sie noch da sind. Warum fragt er mich? Du weißt, warum, sagte sich Ayla und suchte nach einem Gesprächsthema, das ihn auf andere Gedanken brächte.
"Ja, sie sind da", sagte Darvalo.
"Ich brauche ein wärmeres Hemd. Weißt du noch, in welchem Korb meine Wintersachen sind, Ayla?"
Natürlich wußte sie es. Und er auch.
"Die Sachen, die du jetzt trägst, haben keine Ähnlichkeit mehr mit dem, was du getragen hast, als du zum erstenmal zu uns kamst, Jondalar", sagte Darvalo.
"Ich habe sie von einer Mamutoi-Frau bekommen. Als ich zuerst kam, trug ich meine Zelandonii-Kleidung."
"Ich habe das Hemd anprobiert, das du mir damals geschenkt hast. Es ist noch zu groß für mich, aber nicht sehr", sagte der junge Mann.
"Hast du das Hemd noch, Darvo? Ich habe es fast vergessen, wie es aussieht."
"Möchtest du es sehen?"
"Ja, ja, gern", sagte Jondalar.
Trotz ihrer Verstimmung war auch Ayla neugierig.
Sie gingen die wenigen Schritte bis zu Dolandos Schlafplatz. Von einem Bord über dem Lager holte Darvalo ein sorgsam verschnürtes Paket. Er öffnete die weiche lederne Umhüllung und hielt das Hemd hoch.Es war ungewöhnlich, dachte Ayla. Das dekorative Muster, der längere und lockerere Schnitt hatten keine Ähnlichkeit mit der Mamutoi-Kleidung, die sie kannte. Etwas überraschte sie mehr als alles andere: das Hemd war verziert mit weißen, an den Spitzen schwarz endenden Hermelinschwänzen.
Selbst für Jondalar sah es ungewöhnlich aus. So viel war
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